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Panorama: Achtung, Grippe

Spätherbst – höchste Zeit, sich noch impfen zu lassen

Diese Krankheit klopft nicht erst vorsichtig an: Wer eine echte Grippe hat, bekommt meist schlagartig hohes Fieber, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen und fühlt sich sehr schnell ganz hundsmiserabel. Das kommt daher, dass der Erreger selbst, das Influenza-Virus, in Sachen Vermehrung unschlagbar schnell ist: Das Grippe-Virus kann innerhalb von sechs Stunden in jeder infizierten Zelle der oberen Luftwege 1500 Tochterviren bilden. Den Anfang nimmt diese Entwicklung zum Beispiel, wenn durch das Husten oder Niesen des Sitznachbarn im Bus oder im Klassenzimmer kleine Tröpfchen virushaltigen Sekrets den Träger wechseln. Bevor der Infizierte krank wird und das Bett hütet, hat er dann seinerseits meist schon eine Reihe weiterer Mitmenschen angesteckt.

Tödlichste Infektionskrankheit

Die echte Grippe ist nach wie vor die Infektionskrankheit, die in Deutschland die meisten Todesopfer fordert. Meist trifft es Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist – durch eine chronische Krankheit oder auch einfach durch hohes Lebensalter. Vor allem sie sollten sich gegen Influenza impfen lassen, und dafür ist es jetzt, im Spätherbst, höchste Zeit. Bisher wurden in dieser Saison in den Nationalen Referenzzentren nur einzelne Verdachtsfälle gemeldet, und nur in drei Fällen konnte das Virus mit molekularbiologischen Methoden nachgewiesen werden. Das meldet die Arbeitsgemeinschaft Influenza, die unter Federführung des Berliner Robert-Koch-Instituts für die Überwachung des Krankheitsgeschehens zuständig ist. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung für Menschen mit chronischen Grunderkrankungen, die das Immunsystem schwächen, also zum Beispiel für Diabetiker und HIV-Infizierte, außerdem aber auch für Senioren und für alle, die im Gesundheitssektor arbeiten und viel Kontakt zu Patienten haben. Sie schützen damit nicht nur sich selbst: Eine einzige Pflegekraft kann schließlich eine ganze Station anstecken. Eine Befragung des Robert-Koch-Instituts ergab allerdings, dass bisher nur etwa jeder Siebte vom medizinischen Personal sich für den kleinen Pieks entscheidet. Dabei sind schlimme Nebenwirkungen nicht zu befürchten: Die leichten grippeartigen Erscheinungen, die einige Geimpfte verspüren, wachsen sich nicht zur echten Grippe aus. Ein stärkerer Impfstoff ist seit zwei Jahren auf dem Markt und erhöht die Erfolgsraten bei Älteren.

Doch sicher ist der Erfolg keinesfalls. Influenza-Viren sind nämlich nicht nur wegen ihrer schnellen Vermehrung gefährlich, sondern auch wegen ihrer großen Wandlungsfähigkeit. Sie sind in der Lage, die Eiweißbausteine ihrer Oberfläche immer wieder zu verändern. Die Antikörper, die der Organismus möglicherweise im letzten Winter gegen eine Virus-Variante gebildet hat, werden damit wirkungslos. Der Austausch der Gene findet wahrscheinlich vorzugsweise in tierischen Reservoirs statt. Wo Mensch und Tier auf engstem Raum zusammenleben, nehmen die großen Epidemien oft ihren Anfang. Ein Beispiel ist die Hongkong-Grippe von 1968. Weil auch Tiere ihnen als Wirte dienen, ist eine Ausrottung der Influenza-Viren heute nicht realistisch.

Antibiotika wirken gegen die Viren nicht. In der Behandlung gibt es zwar hoffnungsvolle neue Ansätze. Ein Enzym an der Oberfläche des Virus, das bei der Ausbreitung der Infektion eine entscheidende Rolle spielt, kann inzwischen durch Medikamente blockiert werden: die Neuraminidase. Der Haken bei der Behandlung mit dem Enzymhemmer besteht aber darin, dass sie nur anschlägt, wenn die Viren sich noch nicht allzu breit gemacht haben, also nur in den ersten 48 Stunden nach der Infektion. Einen sicheren Schutz vor der Krankheit, in deren weiterem Verlauf Bakterien als Trittbrettfahrer leichtes Spiel haben und auch schwere Lungenentzündungen drohen, bieten Medikamente deshalb heute noch nicht.

Bleibt für besonders Gefährdete also weiterhin nur die Impfung.

Adelheid Müller-Lissner

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