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Airbus_Absturz

© dpa

Air-France-Unglück: Jeder Fund birgt eine Erkenntnis

Solange die Flugschreiber unauffindbar bleiben, hoffen Experten auf die Autopsie der Absturzopfer des Unglücksflugs der Air France. Von ihren Verletzungen lässt sich möglicherweise auf den Unfallhergang schließen.

In der Nacht zu Pfingstmontag stürzte der Airbus A 330 der Air France im Atlantik zwischen Amerika und Afrika ins Meer, 228 Insassen des Fluges AF 447 kamen ums Leben. Bis Montagabend konnten 16 Leichen an der Absturzstelle geborgen werden. Für die Ermittler stellen sich nun vor allem zwei Fragen: Lässt sich die Identität der Toten klären? Und was verrät der Zustand der Leichen über den Hergang der Katastrophe?

Durch die hohe Geschwindigkeit eines Verkehrsflugzeugs beim Aufschlag kommt es zu schweren und tödlichen Verletzungen. Die Körper der Insassen werden dabei häufig verformt, hinzu kommen weitere mögliche Einwirkungen durch Brände und Explosionen. Zudem haben die Opfer des Air- France-Fluges bereits etwa eine Woche im Wasser getrieben, ehe sie entdeckt wurden. Das alles erschwert sowohl die Identifikation als auch die Rekonstruktion des Unfallhergangs.

Um trotzdem auch stark entstellte Leichen oder Leichenteile einer Person zuzuordnen, werden verschiedene Verfahren eingesetzt. So kann ein Opfer anhand der Kleidungsstücke oder des Schmucks, durch Tattoos oder andere auffällige körperliche Merkmale, durch Fingerabdrücke, die Zähne und den Knochenbau identifiziert werden. Entscheidende Hilfe gibt häufig der genetische Fingerabdruck. Dabei werden Erbgutabschnitte der getöteten Insassen mit denen möglicher Verwandter oder den DNS-Spuren auf der Zahnbürste oder anderen Hinterlassenschaften der Opfer verglichen.

„Von den Verletzungen der Insassen kann man auch einiges über den Unfallhergang ableiten“, sagt Michael Tsokos, Chef der Rechtsmedizin an der Berliner Charité. So gibt es typische Explosionsverletzungen, bei denen etwa Splitter in den Körper eingedrungen sind oder Hitzespuren nach einem Brand zu sehen sind. Ein Feuer an Bord kann zudem dazu führen, dass das dabei entstehende Kohlenmonoxid sich an den roten Blutfarbstoff bindet. Das ist biochemisch auch nach dem Tod noch nachweisbar.

Der Aufschlag auf das Wasser und das damit verbundene schlagartige Abbremsen führen zu typischen Kopf- und Körperverletzungen. Schwierig wird die Suche nach den Ursachen nicht zuletzt, weil die Toten mehrere Tage im Wasser trieben. Dabei bildet sich eine Waschhaut, und auch Fäulnis und Fischfraß sind möglich, sagt Tsokos.

In der Diskussion um die Absturzursache richtet sich das Augenmerk verstärkt auch auf möglicherweise fehlerhafte Geschwindigkeitsmesser. Vor dem Unglück hatten drei der sogenannten Pitotsonden um 50 Kilometer pro Stunde abweichende Werte angezeigt. Airbus hatte bereits 2007 dazu geraten, die Sonden auszutauschen. Die Empfehlung galt nach Angaben von Air France aber nur für einen anderen Flugzeugtyp. Die Airbus- Flugzeuge der deutschen Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin sind den Unternehmen zufolge mit anderen Geschwindigkeitsmessern ausgestattet. Die Sonden stammten von einem anderen Hersteller als die des verunglückten Air-France-Airbus, sagte eine Air-Berlin-Sprecherin. Auch bei Lufthansa hieß es, es würden die Systeme einer anderen Firma verwendet. Ein Airbus-Sprecher hatte zudem am Wochenende betont, dass „der Verlust einer verlässlichen Geschwindigkeitsmessung“ nicht extrem außergewöhnlich sei. „Das kann durchaus vorkommen“, hieß es. „Die Piloten sind für solche Fälle trainiert.“

Am Montag suchten weiter mehr als ein Dutzend Flugzeuge und mehrere Schiffe rund um die Uhr das Absturzgebiet ab. Die geborgenen Leichen wurden von der französischen Fregatte „Ventôse“ und der brasilianischen Fregatte „Constituição“ übernommen. Sie sollen auf der Atlantikinsel Fernando de Noronha etwa 350 Kilometer vom Festland entfernt untersucht werden. Mit Beibooten fischten die Bergungsteams Taschen, Laptops, Video- und Fotokameras, Passagiersitze und Plastikteile aus der Kabine aus dem Wasser.

Wo das Flugzeugwrack genau liegt, ist weiterhin unklar: Die Trümmer und Leichen wurden mit der Strömung weggetragen. In den letzten Minuten des Fluges hatte die Unglücksmaschine automatisch 24 Fehlermeldungen an das Wartungszentrum der Air France geschickt. Aus ihnen lässt sich aber nicht ableiten, ob das Flugzeug in der Luft auseinanderbrach oder äußerlich intakt auf das Wasser prallte. „Wir wissen nichts“, hieß es weiter bei den französischen Flugunfallermittlern.mit dpa

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