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Airbus-Unglück: Gericht spricht Angeklagte frei

Fast 15 Jahre nach dem Absturz eines Airbus A320 im Elsass mit 87 Toten und neun Verletzten hat das Landgericht Colmar alle sechs Angeklagten freigesprochen. Zugleich erkannte das Gericht eine "vollständige zivilrechtliche Verantwortung" des Airbus-Konzerns an.

Colmar - Der Airbus-Konzerns und die französische Fluggesellschaft Air France müssen der Opfervereinigung ECHO zusammen 500.000 Euro an Entschädigung zahlen. Bei dem Absturz westlich von Straßburg waren am Abend des 20. Januar 1992 insgesamt 87 Menschen getötet worden, unter ihnen acht deutsche Passagiere. Neun Menschen überlebten den Crash. Auch Angehörige von Opfern, die nicht der Vereinigung ECHO angehören, sollen dem Urteil zufolge Entschädigungen von jeweils mehreren Tausend Euro erhalten.

Bei dem Prozess hatten sich von Anfang Mai bis Ende Juni der frühere technische Airbus-Direktor Bernhard Ziegler, vier frühere leitende Angestellte der französischen Luftfahrtbehörde (DGAC) und der damaligen Inlands-Fluggesellschaft Air Inter sowie ein Fluglotse wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zu verantworten. Nach Überzeugung des Gerichts konnte ihnen keine "strafrechtlichen Schuld" an dem Unglück nachgewiesen werden. Dazu hätten sie einem Gesetz aus dem Jahre 2000 zufolge die Besatzung und die Passagiere bewusst "schwerwiegenden Risiken" aussetzen und mit ihrem Verhalten "kausal" zu dem Absturz beitragen müssen. Dies sei nicht nachzuweisen gewesen, begründete der Vorsitzende Richter Pierre Wagner die Freisprüche.

"Symbolische Bewährungsstrafen"

Die Staatsanwaltschaft hatte für den heute 73 Jahre alten Ziegler, den Fluglotsen und zwei andere Beschuldigte "symbolische Bewährungsstrafen" von neun beziehungsweise zwölf Monaten gefordert. Für die beiden anderen Angeklagten beantragte die Staatsanwaltschaft Freispruch. Nach ihrer Überzeugung hatten eine Reihe von Versäumnissen und Fehlern dazu geführt, dass der Airbus beim Landeanflug auf Straßburg von seiner normalen Anflugschneise abkam und in dichtem Schneetreiben an einem 800 Meter hohen Felsen in den Vogesen zerschellte.

Während der achtwöchigen Verhandlungen trugen eine Reihe von Gutachtern unterschiedliche Thesen für die Absturzursache vor. Dabei ging es unter anderem um die Ergonomie des Cockpits: Bei den ersten A320-Modellen gab es zwei Knöpfe, die leicht verwechselt werden konnten. Einer diente zur Bestimmung der Geschwindigkeit, der andere zur Wahl eines bestimmten Neigungswinkels. Die Staatsanwaltschaft warf Ziegler vor, das Cockpit zunächst nicht verbessert zu haben, obwohl er von Piloten auf die Probleme hingewiesen worden war.

Klage gegen französischen Staat

Den ehemaligen Verantwortlichen von Air Inter und der Behörde für Flugaufsicht warf die Anklage vor, auf den Einbau eines Boden-Warnsystem GPWS (Ground Proximity Warning System) verzichtet zu haben. Dieses Gerät, das den Abstand zum Boden misst, war damals in Frankreich nicht vorgeschrieben. Air France, damals die Muttergesellschaft von Air Inter, und die meisten anderen großen Luftlinien hatten ihre Maschinen jedoch mit GPWS-Geräten ausgerüstet.

Der ECHO-Vorsitzende Alvaro Rendon nahm das Urteil mit einer "gewissen Zufriedenheit" auf. Erstmals sei die "zivile Verantwortung" des Airbus-Konzerns und des Unternehmens Air France, in dem Air Inter mittlerweile aufgegangen ist, für den Absturz anerkannt worden. Der Freispruch aller Angeklagten von einer strafrechtlichen Schuld sei hingegen "enttäuschend", sagte Rendon.

Rendon, dessen Frau bei dem Crash ums Leben kam, kündigte zugleich an, ECHO werde seine Klage gegen den französischen Staat wegen der langen Ermittlungen aufrechterhalten. Das Straßburger Landgericht hatte diese Klage am 9. Oktober zurückgewiesen. Dagegen legte die Vereinigung Widerspruch ein. Außerdem will sie Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagen. ECHO wirft dem französischen Staat vor, er habe die Ermittlungen bewusst verschleppt, um den wirtschaftlichen Interessen des Airbus-Konzerns nicht zu schaden. (tso/AFP)

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