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Lichtbogen über der Steppe. In der Nacht zum Donnerstag sind die Raumfahrer in Baikonur gestartet.

© AFP

Alexander Gerst: Mit dem Kopf voran gleitet er in die ISS

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst zeigt sich nach dem Andocken an der Internationalen Raumstation ISS glücklich. "Es ist wie im Traum", erklärte er. Was er sonst noch sagte und twitterte, lesen Sie hier.

Kurz vor sechs Uhr in der Früh ist er endlich am Ziel. Nach einem harten Auswahlwettbewerb gegen andere Mitbewerber, jahrelangem Training in Tauchbecken und Laboren – und einem Höllenritt in der Spitze einer „Sojus“-Rakete sowie der geglückten Kopplung bei einem Tempo von 28 000 Kilometern pro Stunde schwebt Alexander Gerst in die Internationale Raumstation. Kopf voran, in Rückenlage.

Dort werden er und seine beiden Crewkollegen Maxim Surajew und Reid Wiseman bereits von den drei Mann Besatzung erwartet und anschließend herzlich begrüßt. Die nächsten sechs Monate wird der deutsche Astronaut mit seinen russischen und amerikanischen Kollegen in der Station verbringen: Wartungsarbeiten stehen an, damit sie weiterhin ein Überleben in der lebensfeindlichen Umgebung des Weltalls ermöglicht. Hinzu kommen zahlreiche Experimente in der Schwerelosigkeit. Nicht zuletzt geht es aber auch um das große Abenteuer, in 400 Kilometern Höhe über der Erde zu leben.

Daumen hoch. „Der Flug war fantastisch“, sagte Alexander Gerst auf der ISS.
Daumen hoch. „Der Flug war fantastisch“, sagte Alexander Gerst auf der ISS.

© dpa

„Ich kann es noch nicht glauben, es ist wie im Traum“, sagte Gerst am Donnerstagmorgen, als er per Videokonferenz mit seiner Familie und seiner Freundin verbunden war. Der Flug sei fantastisch gewesen. „Und der Blick auf die Erde ist super.“

Alexander Gerst verschwindet im Nachthimmel über Kasachstan

Wenige Stunden zuvor war er noch in Baikonur, dem russischen Raumfahrtzentrum in der kasachischen Steppe. Per Twitter berichtete der 38-Jährige ausführlich von seinen vorerst letzten Stunden auf dem Planeten: Von der letzten Dusche – auf der ISS kann man sich nur mit feuchten Lappen reinigen –, vom Versuch, vor dem Nachtstart noch ein Schläfchen zu halten, vom Anziehen des Raumanzuges, vom Einsteigen in den Bus, der die drei Männer zur Startrampe bringen würde. „Das Adrenalin steigt etwas, bin aber erstaunlich entspannt“, schreibt Gerst. Dann, zwei Stunden vor dem Start, der vorerst letzte Tweet: „Bis denn dann! Wuerde euch gerne alle mitnehmen ...“

Um 21.57 Uhr MESZ am Mittwochabend ist es soweit. Die Rakete hebt ab, verschwindet im Nachthimmel über Kasachstan. Nach und nach werden die Raketenstufen abgetrennt und die Kapsel nimmt Kurs auf die ISS, die sie knapp sechs Stunden später erreicht. Nach dem Andocken dauert es noch etwas, bis der Druckausgleich hergestellt ist – dann öffnet sich die Luke.

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Nun heißt es für die Neuankömmlinge erst einmal, sich vor allem auf das Schweben einzustellen. Wer sich in der Schwerelosigkeit zu kräftig abstößt, knallt mit Wucht an die gegenüberliegende Seite der Raumstation. Dann stehen aber auch schon die Experimente auf dem Plan. Mehr als hundert wird Gerst vornehmen, eines davon hat ein Team um den Weltraummediziner Hanns-Christian Gunga von der Berliner Charité entwickelt. Dabei wird monatlich über einen Sensor an der Stirn 36 Stunden lang die Körperkerntemperatur gemessen. „Normalerweise schwankt diese im Lauf eines Tages um rund ein Grad Celsius“, sagt Gunga. „Bei Astronauten ist es nur halb so viel – und wir wollen wissen, warum.“ Das ist durchaus wichtig, denn der Verlauf der Körperkerntemperatur hängt mit dem zirkadianen Rhythmus zusammen, der „inneren Uhr“ des Menschen. Die werde unter anderem durch Licht gesteuert, sagt Gunga. Da die Raumstation kaum Fenster habe und es aufgrund ihres Umlaufs alle 90 Minuten ein Sonnenaufgang gebe, sei der zirkadiane Rhythmus der Astronauten massiv gestört. Er vermutet, dass das ein Grund dafür ist, weshalb bei Raumfahrern über längere Zeit die Schlafqualität und Aufmerksamkeit abnehmen. „Vor allem bei Langzeitmissionen, die vielleicht einmal zum Mars führen, ist die Störung des zirkadianen Rhythmus eines der größten medizinischen Probleme“, sagt der Charité-Forscher. Sein Proband Gerst, promovierter Geophysiker, ist sogar selbst ein bisschen Mediziner. An Bord der ISS gilt er als „Medical Officer“, er hat gelernt, wie man Wunden näht und Zahnfüllungen repariert.

Einer der Höhepunkte seiner Mission wird der Außenbordeinsatz sein, der im August stattfinden soll. Dabei wird er die Außenanlagen der Station warten und wissenschaftliche Experimente anbringen. Das Wort „Weltraumspaziergang“ trifft die Sache keineswegs. Sechs Stunden lang ist volle Konzentration gefragt, dazu kommen die anstrengenden Bewegungen im Raumanzug. Bereits zum Greifen ist so viel Kraft nötig, als müsste man einen Tennisball zusammendrücken, hatte Gerst einmal erzählt. Der Anzug verfügt über eine Wasserkühlung und Helmlampen: Sie geben Licht, wenn die Station im Schatten der Erde ist. Es dauert rund eine Woche, bis sich ein Astronaut vollständig von einem Außeneinsatz erholt hat.

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