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Panorama: Allein im vergangenen Jahr gab es 13 Angriffe auf Pädagogen in Berlin

Der 15-jährige Schüler hatte der Lehrerin keine Chance gelassen: Wortlos betrat er das Klassenzimmer in Meißen und tötete die Frau mit 22 Messerstichen. Der Mord in in Sachsen hat auch in Berlin die Diskussion um die Gewalt an den Schulen neu entfacht.

Der 15-jährige Schüler hatte der Lehrerin keine Chance gelassen: Wortlos betrat er das Klassenzimmer in Meißen und tötete die Frau mit 22 Messerstichen. Der Mord in in Sachsen hat auch in Berlin die Diskussion um die Gewalt an den Schulen neu entfacht.

Den Vorstoß der thüringischen GEW, an Schulen Sicherheitsvorkehrungen nach US-Vorbild einzurichten und "professionelle Sicherheitsdienste" über die Höfe zu schicken, stößt in Berlin allerdings auf Ablehnung. "Damit wird nicht die Ursache bekämpft", sagt der stellvertretende GEW-Vorsitzende Dieter Haase. Schließlich färbe die Gewalt in unserer Gesellschaft lediglich auf die Jugendlichen ab. Abgesehen davon, sei der "kontrollierte Raum Schule" vergleichsweise selten Gewalt ausgesetzt. Das Drama in Meißen sei ein "Extremfall", der auch mit einem Sicherheitsdienst kaum zu vermeiden gewesen wäre.

Tatsächlich ist nach den Angaben der Polizei die Gewalt an Schulen deutlich zurückgegangen. "Bei uns sieht es gut aus", sagt Jutta von Döllen, Kriminaloberkommissarin beim LKA, zuständig für Jugendgruppengewalt. Im vergangenen Jahr habe es in den Berliner Schulen 375 Vorfälle gegeben, rund 170 auf den Wegen zu den Schulen. Generell sei die Gewalt mit Waffen unter Jugendlichen nicht nur bei Fällen an Schulen um durchschnittlich 37,4 Prozent zurückgegangen. Dies führt Jutta von Döllen nicht zuletzt auch auf die zunehmende Präventionsarbeit zurück.

Nach Auskunft der Sprecherin der Schulverwaltung, Rita Hermanns, war der bisher schwerste Angriff auf einen Pädagogen im November vergangenen Jahres, als ein Schüler an der 6. Gesamtschule seine Mathematiklehrerin niederstach. Der Schüler glaubte sich in einer Mathematikarbeit benachteiligt. Die Frau wurde schwer verletzt und ist jetzt noch immer krank geschrieben. Im November 1991 hatte an der Hermann-Hollerith-Oberschule in Steglitz ein 17-Jähriger, gegen den ein Hausverbot ausgesprochen war, den Rektor niedergestochen. Im vergangenen Schuljahr wurden 13 Angriffe auf Lehrpersonal registriert, die überwiegend jedoch von schulfremden Tätern verübt worden seien oder sich ereigneten, als Lehrer sich schlichtend bei Konflikten einmischten. "Nicht quantifizierbar" ist nach Auskunft von Rita Hermanns allerdings die verbale Gewalt: "Verbal wird schweres Kaliber aufgefahren."

In einem Punkt macht sich kaum noch jemand Illusionen: "Die Schüler haben Waffen dabei", sagt Diplom-Sozialpädagoge Lars Schäfer vom "Pam-Projekt. Gewaltprävention des Deutschen Roten Kreuzes". Dies trifft nicht nur für die sogenannten Problembezirke zu. So ließ der Schulleiter der Zehlendorfer Leistikow-Oberschule vor einiger Zeit seine Schüler von der Polizei durchsuchen: Messer mit überlangen Klingen, Gaspistolen, auch scharfe Waffen und Drogen gehörten zur Ausbeute der Razzia.

Ob die Gewalttäter tatsächlich immer jünger werden, darüber herrscht unter den Experten noch keine Einigkeit. Laut Polizeistatistik war die Jugendkriminalität im vergangenen Jahr seit 1991 erstmals leicht rückläufig. Insgesamt 46 971 Tatverdächtige zählte die Kripo im vergangenen Jahr - ein Prozent weniger als 1997. Deutlicher ist die Abnahme bei den Gewaltdelikten. So sind beispielsweise die Raubtaten um rund 33 Prozent auf 3417 Fälle gesunken. Rückläufig war auch die Jugendbandenkultur. Während Anfang der 90er Jahre festgefügte Gangs durch Berlin zogen, setzen sich Banden nun fast nur noch spontan zusammen. Die Gruppengewalt ist um 8,9 Prozent zurückgegangen.

Nach den Erfahrungen der Pädagogen sind allerdings "die Mittel krasser" geworden. "Man tritt beispielsweise noch einmal nach, wenn der andere schon auf dem Boden liegt", sagt Lars Schäfer. Auch sei bei den Schülern beim Schlagen die Hemmschwelle niedriger geworden. Bei dem Gewaltpräventions-Projekt des Roten Kreuzes wird versucht, den "Nährboden" dieser Exzesse zu bearbeiten. "Die tägliche kleine Gewalt: Da werden Schüler ausgegrenzt, ausgelacht, leiden unter dem Druck der Gruppe."

Dies mag auch bei dem Mord in Meißen eine Rolle gespielt haben. Nach Informationen der "Dresdner Morgenpost" soll der Bluttat eine Art Wette vorausgegangen sein. Der Täter habe immer wieder betont, dass er seine Lehrerin umbringen wolle. Mitschüler hätten ihn als Prahler bezeichnet und unterstellt, er sei zu einer solchen Tat nicht fähig.

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