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Panorama: Amoklauf in Erfurt: Zynische Fälschung

"Es hat ja doch keinen Sinn." Dieser Satz steht unter einer Zeichnung einer Pumpgun und einer Pistole - auf einer Internet-Homepage, die den Namen "Roberts Weltnetzseite" trägt.

"Es hat ja doch keinen Sinn." Dieser Satz steht unter einer Zeichnung einer Pumpgun und einer Pistole - auf einer Internet-Homepage, die den Namen "Roberts Weltnetzseite" trägt. Schnell wird klar, dies ist keine Website, wie man sie sonst kennt, obwohl sie erst einmal relativ harmlos daherkommt: "Willkommen auf meiner kleinen Weltnetzseite. Mein Name ist Robert Steinhäuser und hier lernt ihr mehr über mich", steht ganz oben, unter jenem Porträt-Foto, das inzwischen zum Synomym für den Amoklauf in Erfurt geworden ist.

Zum Thema Fotostrecke: Amoklauf in Erfurt Dokumentation: Die folgenschwersten Bluttaten an Schulen Hintergrund: Gewalt gegen Lehrer in Deutschland "Ich bin 18 Jahre alt und gehe noch in das Johannes-Gutenberg-Gymnasium", geht es weiter, selbst der Link zur Schul-Homepage wurde hinterlegt. Doch was nun kommt, ist alles andere als normal: "Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich jetzt Amok laufen müsste, wenn (...) mich die egoistischen Stasi-Lehrer wieder den ganzen Tag mit ihren Integralrechnungen versaut haben!"

Fast noch erschreckender als diese Sätze ist jedoch die Tatsache, dass es sich bei der Homepage um ein Fake, eine Fälschung, handelt. Es gibt also Leute, die unmittelbar nach der Tat sich in den Täter hineinversetzt haben und an seiner Stelle eine Webseite gestaltet haben, die von ihm stammen könnte.

Private Internet-Seiten sind unter Jugendlichen nicht ungewöhnlich. Auch ist bekannt, dass Selbstmörder ihre Tötungsabsicht in Suizidforen ankündigen. Von Robert Steinhäuser wird berichtet, dass er sich intensiv mit dem Computer beschäftigte. Was also liegt näher, als dass er seine Ansichten, vielleicht auch seine Motive für die Tat, im Netz dargelegt haben könnte?

Doch in diesem Fall trifft das nicht zu. Dass es sich um eine Fälschung handelt, kann belegt werden. Die beim amerikanischen Umsonst-Provider Webpost geführte Seite wurde erst nach der Selbsttötung Roberts freigeschaltet. Dies geht aus dem Protokoll der Seite hervor. "Counting since: 27 Apr 2002 / 04:09" wird dort angegeben. Zu der Zeit waren der Amokläufer und seine Opfer bereits über zwölf Stunden tot.

Wer der wahre Urheber der Seite ist, wird kaum in Erfahrung zu bringen sein. Der Provider mit Sitz in Syracuse/New York legt keinen großen Wert darauf, seine Kunden genauer zu kennen. Das Anmeldeformular fragt zwar nach Namen und E-Mail-Adresse, doch ob diese Angaben stimmen, wird nicht weiter überprüft. Quasi jeder hätte die Seite ins Netz stellen können. Nicht einmal besondere Kenntnisse der Internet-Programmiersprache HTML sind erforderlich, das Layout stammt aus einem Webseiten-Baukasten. Ganz so unerfahren waren der oder die Urheber allerdings nicht. Um möglichst schnell von den Suchmaschinen gefunden zu werden, enthalten Internet-Seiten versteckte Kommentare mit Stichworten zum besseren Indizieren der Seiten. Mit Angaben wie "Robert Steinhäuser, Pumpgun, Erfurt, Johannes-Gutenberg-Gymnasium, Amok, Amoklauf, Täter, Abitur, 19 Jahre alt" wurde alles dafür getan, möglichst schnell von möglichst vielen Webnutzern gefunden zu werden. Mit Erfolg: Die Suchmaschine Fireball wirft "Roberts Weltnetzseite" in ihrer Ergebnisliste an der ersten Stelle aus.

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