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Anbau für das Gutenberg-Museum: Streit um geplanten Bronzeturm in Mainz

Die Erweiterung des Gutenberg-Museums spaltet die Stadt. Am Sonntag sollen die Bürger abstimmen.


„In Mainz ist Schluss mit lustig“, sagt Thomas Mann, er ist Sprecher der Bürgerinitiative „Nein zum Bibelturm“ und regt sich gerade schrecklich auf. Mann steht vor dem Mainzer Theater, verteilt Flugblätter, diskutiert mit Bürgern. Es sind alte wie junge, die sich da um den Infostand seiner Initiative scharen. Empörend finden nicht wenige die Planung der Stadt, am Liebfrauenplatz, neben dem Dom, einen modernen Bronzeturm zu errichten – als Anbau des Gutenberg-Museums.

„Der verschandelt unsere schöne Altstadt“, sagt ein junger Mann. „Ein irrsinniger Bau“, meint seine Freundin. Der Turm, der seit Monaten in Mainz für Streit sorgt, soll mehr als zwanzig Meter hoch werden und eine außergewöhnliche Bronzefassade bekommen, auf der Buchstaben in Form eines Druckstempels angeordnet sein sollen. Entworfen wurde er von dem Hamburger Architekten Stephen Kausch, er war damit Sieger eines internationalen Architektenwettbewerbs geworden.

Nur wenige Meter von den Turmgegnern entfernt stehen die Befürworter des Bauwerks, die Initiative „Mainz für Gutenberg“. Auch sie können sich über fehlendes Bürgerinteresse nicht beklagen. „Das wird ein echter Hingucker“, strahlt eine ältere Dame, sie ist ganz begeistert von der Idee, mit einem modernen Gebäude das alte Gutenberg-Museum aufzuwerten.

Ein anderer diskutiert mit den Turmfreunden die Frage, ob das alles überhaupt finanzierbar sei. Er sei noch unentschieden, ob er dem Projekt zustimmen wolle. Fünf Millionen soll der erste Bauabschnitt kosten, Geld, das die Stadt gar nicht habe, sagt er. Und er ist auch skeptisch, ob der Finanzierungsplan der Stadt aufgeht. Zurzeit basiert dieser darauf, dass Geldgeber kommen, nachdem mit dem Bau begonnen wurde.

Die Sponsoren seien da, heißt es bei den Befürwortern, sie brauchen nur die Sicherheit, dass der Turm wirklich gebaut werde. Darüber kann Johannes Gerster, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der CDU und gebürtiger Mainzer, nur den Kopf schütteln. Er versteht diesen Ansatz nicht. Die Stadt hätte sich im Vorfeld um Mittel von Bund und Land kümmern müssen, sagt er.

Das Gutenberg-Museum in Mainz hat eine weltweit einzigartige Sammlung an Büchern, zu den wertvollsten Exponaten gehören zwei original Gutenberg-Bibeln aus dem 15. Jahrhundert. Auch die rekonstruierte Gutenberg-Werkstatt zieht jährlich 130.000 Touristen aus aller Welt an.

Wahlkampfstimmung in Mainz

Der Bibelturm soll dem Museum 400 bis 450 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche bringen und die Möglichkeit, die Museumsschätze angemessen zu präsentieren. Eine Chance für das weltberühmte Museum, die nicht vertan werden dürfe, meint Direktorin Annette Ludwig. Auch Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hält den Bau für notwendig: „Das Gutenberg-Museum Mainz braucht eine Erneuerung und Erweiterung, um seinem Ruf als Weltmuseum der Druckkunst auch in Zukunft gerecht zu werden“, schreibt er in der Info-Broschüre für einen Bürgerentscheid, die an alle Mainzer verteilt wurde.

Denn die knapp 162.000 Stimmberechtigten sollen am Sonntag entscheiden, ob dieser Turm gebaut wird. Das hat der Mainzer Stadtrat im November beschlossen. Es ist das erste Mal in der 2000-jährigen Geschichte der Stadt, dass Bürger über ein Projekt direkt entscheiden dürfen.

Der Ausgang sei ungewiss, hört man besorgt aus Stadtratskreisen. Ja oder nein – bei dieser Frage geht ein Riss durch die Stadt. Selbst die örtliche CDU ist zerstritten. Die Diskussion wird seit mehr als einem Jahr geführt. Dass das Weltmuseum der Druckkunst dringend modernisiert werden muss, ist in Mainz unumstritten. Für Ärger sorgt der Turm, es geht ums Geld und um die Optik. In den sozialen Netzwerken beschimpfen sich Gegner und Befürworter, in den Kneipen der Altstadt und sogar auf dem Wochenmarkt wird gestritten, überall in der Stadt hängen Plakate.

Beide Initiativen haben jede Menge Prominenz aufgeboten: Die Schauspielerin Gudrun Landgrebe, die in Mainz lebt, hat sich auf die Seite der Gegner geschlagen: „Ich bin gegen den Turm, weil er die Ästhetik des Liebfrauenplatzes zerstört“, wird sie auf einem Plakat zitiert. Gleich gegenüber hängt ein Poster mit dem Kabarettisten Lars Reichow, er sagt einfach „Ja zum Bibelturm“.

Zahlreiche Veranstaltungen finden statt, es ist Wahlkampfstimmung: Beim Bibelturm- Slam, Radio- und Podiumsdiskussionen und anderen Events sollen sich die Mainzer ein Urteil bilden. Von einem „neuen Wahrzeichen für die Stadt“ schwärmt die Leiterin der Baubehörde, von einem „Tourismusmagneten“ träumt der Einzelhandel. Sogar Parallelen zum Eiffelturm in Paris werden gezogen.

Die Weintrinker wollen keinen Turm

Unterstützung haben die Turmgegner nun überraschend aus Frankfurt am Main erhalten: Das „Frankfurter Altstadtforum“, eine Initiative, die sich vor 14 Jahren gegen eine moderne Bebauung in der Frankfurt Altstadt zusammenfand, appellierte an die Mainzer Stadtpolitik, auf den Bronzeturm zu verzichten. Und legte auch gleich einen Gegenentwurf vor: einen Turm in historisierter Optik.

Ob historisch oder Bronzebau ist den Weintrinkern am Liebfrauenplatz jedoch ganz egal. Sie bräuchten beim samstäglichen Marktfrühstück dort nun einmal Platz und können und wollen sich nicht vorstellen, von einem Turm vertrieben zu werden. Fünfzehn Prozent der Mainzer Bürger müssen sich an der Abstimmung am Sonntag beteiligen, sonst ist das Quorum nicht erfüllt und der Streit über den Turmbau geht weiter.

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