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Panorama: Angst vor einer unheimlichen Mücke

Auf La Reunion grassiert eine Infektionskrankheit

Eine kleine Stechmücke mit schwarzweiß gestreiften Beinen ist auf der Insel La Réunion zum Staatsfeind Nummer eins geworden. Dieser winzige Blutsauger mit dem lateinischen Namen „Aedes albopictus“ überträgt ein Virus. Bereits mehr als 30 000 Menschen – 5% der Inselbevölkerung – sind in der Folge an „Chikungunya“ erkrankt. Schon der Name dieser Epidemie, die sich seit Dezember auf der Insel im Indischen Ozean ausbreitet, jagt Angst und Schrecken ein. Der exotische Namen der Infektion kommt aus der Swahili-Sprache und bedeutet so viel wie „der gekrümmt geht“. Wer an Chikungunya erkrankt, krümmt sich oft vor Schmerzen in den Gliedern. Andere Symptome sind ein Hautausschlag und eine Erschöpfung wie bei einer schweren Grippe. Bisher existiert weder ein Impfstoff gegen dieses Virus noch ein wirksames Medikament.

Die Insel La Reunion hat im Gegensatz zu der benachbarten Insel Madagaskar nie einen Unabhängigkeitskrieg gegen den Kolonialismus geführt und gehört deshalb heute zu Frankreich und zur EU.

Der Erreger wurde 1953 erstmals in Uganda identifiziert. Es ist angeblich das erste Mal, dass er mit seinem Wirtstier aus Ostafrika den Weg in ein dicht bewohntes Territorium mit westlicher Zivilisation gefunden hat. Die Behörden versuchen vergeblich, die Inselbewohner und die Touristen zu beruhigen. Bisher sei niemand wegen Chikungunya gestorben. Laut medizinischen Experten bedeutet diese Infektion für sonst gesunde Patienten keine Lebensgefahr. Ein Risiko besteht hingegen für Menschen mit verminderter Immunität und für ältere Menschen. Auch Kleinkinder sind besonders gefährdet. Mindestens zwölf Neugeborene entwickelten schon als Komplikation eine Hirnhautentzündung, nachdem ihre Mütter kurz vor der Niederkunft von der Chikungunya-Mücke gestochen worden waren. Seither macht sich eine gewisse Panik breit. Im europäischen Mutterland wird befürchtet, dass mit den heimkehrenden Touristen die Mücken im Flugzeug auch den Weg bis nach Frankreich finden könnten. Die französische Regierung hat spät reagiert. Jetzt aber werden die lokalen Behörden mit Armeeangehörigen verstärkt, die mit Insektiziden dem Aedes albopictus den totalen Krieg erklärt haben. Überall sind mit Gasmasken und Schutzoveralls ausgerüstete Soldaten und Gemeindeangestellte im Einsatz, um in Tümpeln, in Gärten und in der Umgebung der Dörfer mit Spritzgeräten die Larven der Mücke auszurotten.

Rudolf Balmer[Paris]

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