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Panorama: Anleitung zum Ehebruch

Indonesische Behörden zensieren einen Jugendfilm

Jakarta - „Buruan Cium Gue!“ heißt der Film, der seit zwei Wochen das Land mit der größten islamischen Bevölkerung der Welt in Aufregung versetzt. „Schnell, küss mich!“ ist eine indonesische Produktion, in der es um den ersten Kuss einer Schülerin in Jakarta geht. Noch am Donnerstagabend lief „BCG“ in den Kinos, doch jetzt ist Schluss: Staatliche Zensoren haben ihre Freigabe zurückgezogen, der Kulturminister wollte es so. Damit folgt er der Forderung prominenter Moslems, die von schnellem Küssen ohne Trauschein gar nichts halten. Im islamischen Kontext bedeute der Filmtitel „Schnell, sündige mit mir!“, findet Abudullah Gymnastiar, Indonesiens bekanntester Islamgelehrte: „Das führt die Leute in den Ehebruch. Küssen ist die Wurzel des Ehebruchs.“

Drehbuchautor Ve Handojo hält die Kritik für „nicht sehr erwachsen“ und vermutet, dass die meisten Protestler seinen Streifen gar nicht gesehen haben. Während der zweiwöchigen Filmdebatte strömten die Indonesier, 90 Prozent von ihnen sind Moslems, scharenweise ins Kino. Wer einen unverschämten Knutschmarathon erwartete, wurde enttäuscht. Erst nach 80 Minuten kommt es in der eher langweiligen Teenagerschnulze zum Kuss-„Skandal“. Kurz vor der Lippenberührung zieht die Kamera sich erst hinter den Kopf der Schülerin und dann in weite Ferne zurück. Am Filmende wird zum zweiten und letzten Mal geknutscht, da scheint ganz kurz tatsächlich Lippenkontakt nahe sichtbar zu sein, bevor die Kamera wieder flüchtet. Während die beiden indonesischen Küsse nun von der Leinwand verbannt sind, bleibt zügellose Knutscherei aus Hollywood und Indien in Kino und Fernsehen erlaubt.

Die Zensur von „Schnell, küss mich!“ im moderaten Indonesien kommt überraschend. Meinungs- und Darstellungsfreiheit werden in der jungen Demokratie als hohes Gut angesehen. Im vergangenen Jahr durfte sogar ein indonesischer Kinofilm laufen, in dem Homosexuelle Zärtlichkeiten austauschen. Ein Gesetzentwurf des Justizministers, nach dem öffentliches Küssen strafbar werden soll, kam in der Öffentlichkeit nicht gut an und blieb in einer Parlamentskommission stecken. Als konservative Moslems versuchten, die sexy tanzende Sängerin Inul zu stoppen, eilten der Künstlerin Intellektuelle, Politiker und moderate Moslems zur Hilfe – Inul darf weiter im Fernsehen und auf den Bühnen Indonesiens mit den Hüften wackeln.

Ganz anders reagiert die Öffentlichkeit beim flüchtigen Filmkuss der Schülerin: bislang hat sich niemand über das Verbot aufgeregt.

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