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Arzneimitteltest: Nigeria gegen Pfizer

Bei einem Medikamententest 1996 starben mindestens elf Kinder. Gestern begann ein Gerichtsverfahren.

Elf Jahre nach einem offenbar missglückten Arzneimitteltest in der Provinz Kano im Norden Nigerias hat am Mittwoch ein Prozess gegen den amerikanischen Pharmakonzern Pfizer begonnen. Mindestens elf Kinder sind beim Test eines Antibiotikums namens Trovan gestorben. Nach Angaben der Behörden in Kano sind es mindestens 50, weitere Kinder hätten schwerwiegende Behinderungen erlitten. Sieben Milliarden Dollar verlangt Nigeria nun von Pfizer als Wiedergutmachung für die betroffenen Familien.

1996 tobte im Norden Nigerias einer der schlimmsten Ausbrüche von Hirnhautentzündung (Meningitis) des vergangenen Jahrhunderts. Zwischen 15 000 und 20 000 Menschen starben an der Krankheit. Daneben brachen auch noch eine Cholera- und eine Masernepidemie aus, wie Jean-Michel Piedagnel von Ärzte ohne Grenzen dem Tagesspiegel sagte. Die „Ärzte“ sind 1996 noch zu Zeiten der Militärdiktatur von Sani Abacha nach Nigeria gegangen. Während der Krise behandelten sie in drei Provinzen etwa 30 000 Menschen wegen Meningitis, sie impften rund drei Millionen Menschen und betrieben zeitweise auch noch eine Cholerastation mit 300 Betten. „Täglich kamen 150 neue Krankheitsfälle dazu“, berichtet Piedagnel.

Und dann kam Pfizer. Der Konzern behandelte gerade mal 200 Kinder mit einem unerprobten Antibiotikum, das nie für Afrika entwickelt worden war. Bis heute ist es in Nigeria nicht zugelassen. Lediglich in den USA und dort auch nur für Erwachsene durfte es eingesetzt werden. Allerdings hat die dortige Zulassungsbehörde den Einsatz schnell wieder eingeschränkt, weil Trovan schwere Leberschäden verursacht hatte. Pfizer verkaufte die Behandlung in Nigeria offenbar als eine Art humanitäre Geste. Die Eltern der Kinder beteuern, sie seien nie darüber informiert worden, dass es um einen Medikamententest gegangen sei. Der britischer Sender BBC zitiert einen der Kläger, Hassan Sani mit den Worten: „Wir haben nicht vermutet, dass die Kinder für ein Experiment benutzt worden sind.“ Pfizer bestreitet das.

Schon 2001 zogen einige Eltern in den USA vor ein Zivilgericht. Doch das Verfahren kam nicht recht voran. Deshalb findet nun ein weiteres in Nigeria statt. Der Ausgang ist offen. Da es aber schwer nachzuweisen ist, ob die Kinder nun wegen des Tests oder an Meningitis gestorben sind, rechnet sich Pfizer offenbar gute Chancen aus davonzukommen.

Der Fall hatte in Nigeria böse Folgen. Wegen des Misstrauens in die Medizin weigerten sich tausende Menschen im Norden des Landes, ihre Kinder gegen Polio impfen zu lassen. Einige muslimische Geistliche behaupteten, muslimische Frauen sollten so unfruchtbar gemacht werden. Das Ergebnis: Die Kinderlähmung breitete sich wieder aus.

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