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Aschewolke und Flugverkehr: Da fliegt was in der Luft

Die Zahl der Flüge über Europa nimmt langsam wieder zu – obwohl die Aschewolke noch immer nicht verschwunden ist. Wie sicher sind sich die Verantwortlichen, dass das ungefährlich ist?

Die Vorwürfe der Fluggesellschaften waren eindeutig. Trotz ungenügender Datenmenge habe die Politik tagelang fast den kompletten Luftraum über Europa gesperrt; dabei seien die wirtschaftlichen Einbußen durch die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjalla enorm. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden durch das Flugverbot allein in Deutschland auf etwa eine Milliarde Euro täglich. Mit Spannung wurde daher erwartet, was ein Forschungsflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei seinem Testflug am Montag herausgefunden hat – zum Beispiel, ob es überhaupt eine Aschewolke über dem deutschen Luftraum gibt.

Welche Erkenntnisse hat der dreistündige Messflug gebracht?

„Die Piloten haben eine bräunliche Färbung von Wolken gesehen, bei denen es sich um Aschewolken handeln kann“, sagte DLR-Sprecher Andreas Schütz. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete mit Bezug auf den elfseitigen DLR-Bericht, die Wissenschaftler hätten auf ihrem Rundflug vom bayerischen Oberpfaffenhofen über Leipzig, Hamburg, Aachen, Stuttgart und zurück bestimmte Partikelkonzentrationen in der Luft ermittelt. Allerdings nenne der Bericht keine Vergleichswerte, die eindeutig die Risiken und Fluggefahren beschreiben könnten. Schütz betonte, zu detaillierten Ergebnissen, die nach Auswertung der Messdaten dem Deutschen Wetterdienst übermittelt werden sollten, werde sich das Zentrum öffentlich nicht äußern. Die Daten würden eine „Momentaufnahme“ der Situation im deutschen Luftraum darstellen und in die Entscheidungsbildung der zuständigen Behörden einfließen.

Welche weiteren Messflüge gab es?

Am Montag sind Meteorologen der Freien Universität (FU) Berlin mit einer einmotorigen Cessna 207 vom Flugplatz Schönhagen südlich von Berlin zu einem dreistündigen Flug gestartet. Die Maschine ist mit einem Aerosol-Spektrometer ausgestattet, mit dem die Trübung des Sonnenlichts und die Durchsichtigkeit der Atmosphäre gemessen werden können. Man habe nichts festgestellt, „was über eine normale Konzentration hinausgeht“, sagte Pilot Carsten Lindemann im Anschluss. Die Messflüge veranstalte die Universität auf eigene Initiative, sagte Jürgen Fischer, Direktor des Instituts für Weltraumwissenschaften. Über die Organisation EUFAR (European Fleet for Airborne Research) steht Fischer in engem Kontakt mit Forschern in anderen Ländern. Demnach zeigen Messflüge über der Schweiz, dass eine Aschewolke binnen weniger Stunden abgesunken ist. Auch die Konzentration der Asche, die am Samstag noch mit bloßem Auge sichtbar gewesen sei, habe am Montag um bis zu 50 Prozent abgenommen.

Testflüge von Airbus mit einem A380 und einem A340 verliefen am Montag problemlos. Eine Einschätzung der Sicherheitslage gab der Flugzeughersteller dennoch nicht ab. Die Entscheidung, ob der Luftraum über Europa flugsicher sei, bleibe den Behörden vorbehalten. Am Dienstag schickte auch die Lufthansa einen A340-600, der im Rahmen eines Forschungsprojektes seit Jahren mit einem Klimaforschungscontainer ausgestattet ist, zum ersten weiträumigen Messflug im europäischen Luftraum.

Warum tun sich die Behörden bei ihrer Lageeinschätzung so schwer?

Ungeachtet aller Bemühungen um einen einheitlichen Luftraum gibt es in Europa noch keine Instanz, die gemeinsame Entscheidungen trifft. Eurocontrol fungiert nur als Koordinierungsstelle, hat aber keine Weisungsbefugnis gegenüber den jeweiligen Länderbehörden. Auch der EU-Kommission fehlt es an Kompetenz. Erst am Montag stimmten sich die europäischen Verkehrsminister ab und einigten sich auf eine Lockerung der Flugverbote – viel zu spät, wie die International Air Transport Association kritisierte.

Bisher gibt es auch keine verlässlichen Richtlinien, ab welcher Konzentration in der Luft die Vulkanasche einem Flugzeug gefährlich werden kann. Entsprechende Tests gehörten nicht zu den Zulassungskriterien für Düsentriebwerke, erklärten Sprecher der Hersteller MTU und Rolls-Royce. Eine generelle Aussage ist zudem schwer zu treffen, weil mögliche Folgen auch von Größe und Zusammensetzung der Aschepartikel abhängen.

Weltweit beobachten neun Stationen Vulkanausbrüche, um die Luftfahrt zu warnen. Zwar wird heute relativ genau berechnet, wie sich Aschewolken ausbreiten. Aber über die Konzentration der Partikel könne wenig Verlässliches gesagt werden, erklärt Meteorologe Lindemann. Bisher begrenzten sich die Aschewolken auf leicht zu umfliegende Bereiche.

Am Dienstag waren rund 800 Flugzeuge über Deutschland unterwegs – wieso?

Zwar ist sich die europäische Luftfahrtbranche einig, dass die nun genehmigten Flüge „auf Sicht“ (siehe Interview) eine Wiederaufnahme des Luftverkehrs ohne Gefahr für die Sicherheit erlauben. Dennoch forderte die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit, die Lufträume zu sperren, bis die Messergebnisse vorliegen. Für die Sicherheit sei es unerheblich, ob eine Maschine nach Sicht- oder Instrumentenflugverfahren betrieben werde, erklärte die Gewerkschaft. „Entweder der Luftraum ist sicher oder er ist es nicht.“

Eine Beruhigung für diejenigen, die nun vor der Frage stehen, ob sie ihren Flug antreten sollen oder nicht, ist das nicht. Nach Ansicht des Frankfurter Luftverkehrsrechtsexperten Ronald Schmid können sie aber eine Umbuchung verlangen, wenn ihr Flug nach den Sichtflugregeln stattfindet. Er sei verwundert über die eingeschränkte Öffnung des Luftraums ohne sichere Erkenntnisse über die Aschekonzentration in der Atmosphäre. Im Falle eines Rechtsstreits mit der Fluggesellschaft bestehe für den Reisenden allerdings ein Restrisiko, da die Richter bei einer zunehmenden Zahl von unfallfreien Sichtflügen auch für die Unternehmen entscheiden könnten.

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