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Panorama: Auch einmal die Wilde sein

"Man braucht eben zwei Männer, einen für den Tag, der da ist, der einen auffängt, und einen für die Nacht", sagt die 41-jährige Marie. Sie ist eine von 23 Frauen, die in dem Buch "Ich habe einen Liebhaber" von Martina Rellin über ihre Erfahrungen mit dem zweiten Mann an ihrer Seite sprechen.

"Man braucht eben zwei Männer, einen für den Tag, der da ist, der einen auffängt, und einen für die Nacht", sagt die 41-jährige Marie. Sie ist eine von 23 Frauen, die in dem Buch "Ich habe einen Liebhaber" von Martina Rellin über ihre Erfahrungen mit dem zweiten Mann an ihrer Seite sprechen. Jedoch sind nicht die "lässlichen Sünden" wie Seitensprünge und One-Night-Stands Thema des Buches, stellt die Autorin klar. Vielmehr widmet es sich gleich "der hohen Schule der vermeintlichen Unmoral" - die da heißt: Frauen nehmen sich, was sie brauchen - einen Geliebten.

Es begann damit, dass in der Ex-DDR-Zeitschrift "Magazin" die Geschichte einer Frau mit Liebhaber erschien, verbunden mit der Aufforderung an die Leserinnen, sich ihrerseits zu dem Thema zu äußern. Martina Rellin, damals Chefredakteurin, wurde mit Zuschriften überschüttet. Die Idee für das Buch war geboren, und Rellin begann, systematisch Geschichten zu sammeln.

Herausgekommen ist dabei ein leidenschaftliches Plädoyer für den Liebhaber: Sie "retten Ehen und Partnerschaften und bewahren Familien davor, auseinander gerissen zu werden". Lob gebühre den Frauen, die es wagen, ein Tabu zu brechen und selbstbestimmt für sich einzustehen, um ihr Leben "spannender und reicher zu machen".

Viele Partnerschaften krankten daran, dass die Leidenschaft mit der Zeit nachlasse. "Jeder Tag lief fast gleich ab", erzählt die 45-jährige Caroline. "Mein Mann Jürgen und ich waren auf dem besten Wege, miteinander zu versauern." Wie ihr erging es auch Gariele, 38: "Ich habe immer gesagt: Meine Ehe ist ein gut funktionierender Kleinbetrieb." Und irgendwann dachte sie: "Dein Sex-Leben ist unerfüllt, du möchtest mit deinem Partner auch Abenteuer erleben."

Es ist dieses Abenteuer, das viele Frauen bei ihren festen Partnern vermissen, schreibt Rellin. "Unzählig die von Frauen nach Hause geschleppten Prospekte für romantische Wochenendtrips, die Vorschläge für gemeinsames Ausgehen". Männer hätten nach ein paar Jahren Beziehung oft keinen Sinn mehr für Candle-Light Dinner und schöne Dessous. Und so stapele sich "die schwarze Seide im Wäscheschrank", während der Ehemann die Abende "lieber vor Computer oder Fernseher" verbringe.

Dass in einer Langzeitbeziehung mit der Zeit die Leidenschaft nachlasse, sei ganz normal, schrieb der Paartherapeut Michael Mary in seinem Buch "5 Lügen, die Liebe betreffend" und sorgte damit zu Beginn desJahres für Aufsehen. Wenn der Sex in den Hintergrund gerate, sei eine Beziehung noch lange nicht krank und behandlungsbedürftig. Unter der Langeweile litten in der Regel beide, schreibt Rellin. Männer ertrügen solche Situationen aber besser oder suchten kurzfristige Abwechslung beim Seitensprung. Dass das Prickeln mit den Jahren weniger werde, heiße jedoch nicht, dass aus dem Sekt der Beziehung zwangsläufig fades Leitungswasser werden muss. Die Frauen, die im Buch zu Wort kommen, fanden einen Weg aus der Misere - indem sie sich bewusst für einen Geliebten entschieden.

Mit ihm holten sie sich das in ihr Leben zurück, was in ihrer Partnerschaft verloren gegangen war: Sex, Romantik, Komplimente, Zärtlichkeit, Ausgelassenheit, das Begehrtwerden oder das Ausleben von Phantasien, die für den Ehemann tabu wären. "Mit Paul sage ich mir manchmal so unanständige Wörter am Telefon, dass er hinterher ins Bad muss", erzählt Caroline. Und Ulrike sagt: "Es ist einfach schön, mit einem anderen Mann eine andere sein zu können, nicht immer die gut organisierte, sondern schon so ein bisschen die Wilde, die Schlampe, ich fühle mich mit Tito wie ein junges Mädchen, obwohl wir beide Mitte 30 sind."

Und das schlechte Gewissen? Das sei durchaus ein Thema für Frauen mit Liebhaber, schreibt Rellin. Und fragten sich wie Sabine, 48: "Habe ich das Recht, so egoistisch zu sein?" Und viele kämen zu dem Schluss: Ja, sie haben und denken: "Ich nehme ihm doch nichts weg. Ihm, dem festen Partner."

Rellin will aufräumen mit dem Klischee, das sich in vielen Frauenzeitschriften finde und das die Frau als Opfer zeige - als betrogene Ehefrau oder bedauernswerte Geliebte. Die Frauen in ihrem Buch nehmen ihr Glück selbst in die Hand. Sie wollen ihren vertrauten Partner nicht verlieren, aber auch auf das immer neue Knistern nicht verzichten, wie die 44-jährige Gabi: "Mein Mann ist für mich die Erde, mein Liebhaber der Himmel."

Ruth Franziska Hoffmann

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