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Panorama: Auf den Mund gefallen

Der Moderator Oliver Pocher hat bei Gottschalks „Wetten dass …?“ eine Zuschauerin beleidigt – die schlägt jetzt zurück

Seit nunmehr einer Woche schwelt der Streit um den Auftritt des Pro-7-Moderators Oliver Pocher bei „Wetten, dass …?“. Die Show fand diesmal in Hannover statt, Pochers Heimatstadt. Dort sollte der 26-Jährige die Stadtwette moderieren. Für einen jungen Comedian wie ihn ist es eine Ehre, zur quotenträchtigsten Show des deutschen Fernsehens eingeladen zu sein. Umgekehrt hatte das ZDF mit Pocher einen Moderator gefunden, den junge Zuschauer mögen und dessen Gesicht spätestens seit der Media-Markt-Werbung auch ältere Zuschauer kennen.

Niemand würde noch über diese Sendung reden, gäbe es da nicht diese juristische Auseinandersetzung, die täglich mit frischen News angefüttert wird. Alles begann mit jener Frau, die offensichtlich sehr bereitwillig und mit großem Spaß neben Pocher vor die Kamera trat und sagte, sie sei zwar weder verwandt noch verschwägert mit dem „Wetten, dass …?“- Moderator, heiße aber wie er Gottschalk. Ihr Ausweis belegte das. Dann kam er, jener folgenreiche Satz von Pocher. Er sagte der 28-Jährigen, für ihr Alter sehe sie ganz schön alt aus, „aber wir haben da im Übrigen eine schöne Operationsshow bei Pro7, da könnte ich Sie mal vorstellen“.

Das war nicht gerade charmant, es gehört sich auch nicht, Witze auf Kosten unbescholtener Zuschauer zu reißen. Aber bei „Wetten, dass …?“ wird viel gefeixt, schließlich ist es eine Unterhaltungsshow, und man kann sich an Fälle erinnern, in denen sich der flapsige Thomas Gottschalk auch mal daneben benommen hat. Aber Pocher ist nicht Gottschalk.

Mit seinen 26 Jahren blickt Oliver Pocher auf eine erstaunliche Karriere zurück. Der ehemalige Klassenkasper und Freizeit-DJ, der eine Lehre zum Versicherungskaufmann machte und bei Nachmittagstalkshows den Anheizer gab, war schon als Zivi mit derben Sprüchen im Klinikradio aufgefallen. Er wollte zum Fernsehen, und was bot sich für unerfahrene Talente damals besser an als ein Casting für eine Gastmoderation bei Viva. Bald bekam er seine eigene Sendung, spielte in einer ARD-Vorabendserie eine Hauptrolle und wechselte schließlich zu Pro 7. In seiner Sendung „rent a Pocher“ treibt er seine Späße, die manche lustig, manche pubertär finden. Es ist eine Frage des Geschmacks, der bei jungen Zuschauern nun mal ein anderer ist als bei älteren.

Vielleicht war Nervosität im Spiel, vielleicht lag es an den 20 000 Menschen, die in seiner Heimatstadt tosend um ihn herumstanden und darauf warteten, dass er einen Gag nach dem anderen reißt, vielleicht schoss Pocher einfach nur übers Ziel hinaus. Am Dienstag nach der Sendung meldete dpa: „Zuschauerin Gottschalk will Schmerzensgeld von Pocher“. Dana Gottschalk hatte einen Anwalt, Jörg Bredemeier – einen Arbeitsrechtler –, beauftragt, der als Entschädigung für die „verbale Entgleisung“ 25 000 Euro verlangte.

Am Mittwoch ließ Pocher mitteilen, er habe das Ganze satirisch gemeint, doch wenn er die Frau verletzt habe, so bedauere er das. Man habe kein Interesse an einer langwierigen Auseinandersetzung, sagte sein Anwalt, Christian Schertz. Zudem rief Pocher Dana Gottschalk an und bat sie persönlich um Entschuldigung. „Er hatte nach dem Gespräch den Eindruck, die Sache habe sich beruhigt und sei nun einvernehmlich zu lösen“, sagt seine Managerin Nina Brkan. „Pocher ging es um Schadensbegrenzung und die Frage, ob man sich auf Basis einer Zahlung von 15 000 Euro einigen könnte“, sagt Anwalt Bredemeier. Obgleich sich das ZDF deutlich von Pocher distanzierte und sich auch, wie Bredemeier öffentlich machte, Thomas Gottschalk telefonisch meldete, um sein Bedauern auszudrücken, verschärfte sich der Streit. Bredemeier bezeichnete Pochers Entschuldigung bei Dana Gottschalk als „halbherzig“ und schraubte die Schmerzensgeldforderung von 25 000 auf 35 000 Euro hoch. Darüber und über die Telefonate mit Gottschalk und Pocher sprach er in mehreren Interviews. „In solchen Fällen muss man Flagge zeigen, das sagt jeder Medienberater“, begründet Bredemeier das Vorgehen. Mittlerweile absolviert Dana Gottschalk selbst Medienauftritte. Am Freitag war sie bei RTL und sprach über die „Narben auf der Seele“, die „nicht beschreibbar“ seien, danach ging sie in die „Aktuelle Schaubude“ des NDR. Dort sagte sie: „Er (Pocher) begreift nicht, was er mir angetan hat.“ Offensichtlich will sie ihn zur Raison bringen. „Zunächst hat Frau Gottschalk sämtliche Interviews abgelehnt, sogar eine Exklusivstory, für die ,Bild’ ihr ein Honorar angeboten hatte“, sagt Bredemeier. „Aber der Druck wurde immer größer. Frau Gottschalk wird überall auf der Straße erkannt und verhöhnt.“ Ob das aufhört, wenn (wie bei RTL und beim NDR) ihr Auftritt bei „Wetten, dass...?“ immer wieder neu gezeigt wird?

„Lass dich nicht verarschen“, heißt es in der Media-Markt-Werbung. Pocher weiß gut, wie es ist, Opfer der Medien zu werden. Vergangenen Herbst erzählte er in einer Talkshow, wie er als Teenager von einem damals schon Jahre zurückliegenden Fall von Kindesmissbrauch in der Nachbarschaft gehört habe. Daraus machte „Bild“ eine Schlagzeile, die ihn in die Nähe von Kinderschändern rückte. Er klagte und gewann. Jetzt wird Pocher beschuldigt, ein Medienopfer auf dem Gewissen zu haben, weil er sich über das Aussehen einer Zuschauerin lustig gemacht hat.

Pochers Anwalt Schertz sagt über Bredemeier: „Gegenwärtig organisiert der Kollege aus meiner Sicht vorrangig die Talkshowauftritte seiner Mandantin und gibt selbst umfassend Interviews, so dass ich die Forderungen, die er stellt, leider zuerst immer aus den Medien erfahre. In einem derartigen Klima machen Vergleichsgespräche gegenwärtig keinen Sinn.“

Pocher, den Freunde als „Stehaufmännchen“ bezeichnen und der in Harald Schmidt sein Vorbild sieht, sagte in früheren Interviews: Er suche nicht die gewollte Provokation, um seine Popularität zu steigern. Tatsache sei, dass „der platte Gag die meisten Lacher“ bringe. Sein Ziel ist es, sich so lange wie möglich im Fernsehen zu halten. Der Erfinder der MediaMarkt-Spots erklärte kürzlich die Gratwanderung: „Wer alles richtig und es jedem Recht macht und immer politisch korrekt ist, hat keine Chance, aufzufallen“.

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