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Panorama: Aus der Ferne gesteuert

Die Bombe von Köln: noch immer ist das Motiv unklar. In die Keupstraße kehrt langsam der Alltag zurück

Von Frank Jansen

Köln/Berlin - Die Kölner Polizei sucht zwei Tage nach dem Anschlag im Stadtteil Mülheim einen etwa 30 Jahre alten Mann. In Sicherheitskreisen hieß es jedoch, es sei unklar, ob der beschriebene Mann mit dem Anschlag in Verbindung gebracht werden kann. Bei dem Attentat wurde nach Informationen des Tagesspiegels eine zur Bombe umgebaute, ehemalige Gasflasche verwandt. Der Sprengsatz wurde ferngezündet. Die bei der Explosion am Mittwochnachmittag herumfliegenden Nägel waren offenbar außerhalb der Metallhülle angebracht. Die Nägel hätten offenbar in einer „Kunststoff-Ummantelung“ gesteckt, hieß am Freitag in Sicherheitskreisen. Möglicherweise habe der Täter die Gasflasche in einem kleineren Hartschalenkoffer untergebracht und ihn auf einem Fahrrad deponiert. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass der Attentäter das Fahrrad mit der Bombe gezielt in der Keupstraße abgestellt hat. Eine vorzeitige Explosion sei auszuschließen, sagte ein Sicherheitsexperte. Bei der Detonation wurden 22 Menschen verletzt. Bis auf ein Opfer handelt es sich um Türken und türkischstämmige Deutsche.

Die Kölner Polizei vermutet weiterhin, dass die Tat keinen professionell terroristischen Hintergrund hat. Es gebe weder ein Bekennerschreiben noch einen entsprechenden Anruf, sagte ein Experte. Zu vermuten sei ein psychisch gestörter Täter, vielleicht auch ein „rechtsextremer Spinner“ – oder eine Person aus dem allgemein-kriminellen Milieu. Die Bundesanwaltschaft schließt allerdings einen Terrorakt nicht aus. Generalbundesanwalt Kay Nehm habe einen Überprüfungsvorgang angelegt und stehe mit den Behörden in Nordrhein-Westfalen in Kontakt, hieß es in Karlsruhe.

Auch zwei Tage nach dem Anschlag hat Orhan Hargin das schreckliche Erlebnis noch nicht ganz verarbeitet. Unmittelbar vor dem Anschlag weilte der Kellner zum Kurzbesuch in dem Friseurgeschäft, vor dem Minuten später der Sprengkörper detonierte. In den Sekunden danach lief er an blutüberströmten Verletzten vorbei. „Ein Mann lag am Boden. Er hatte überall Nägel im Arm – es war einfach schrecklich.“ Die Ratlosigkeit ist mit Händen zu greifen, gleich mit wem man spricht. „Wenn man wüsste, was dahintersteckt, dann wüsste man auch, was man tun muss", sagt der 28-jährige Aydin Aktas und beschwört den Zusammenhalt: „Die Keupstraße ist eine schöne Straße. Und sie kann auch wieder schön werden, wenn man gemeinsam aufräumt. Aber wenn wir nicht zusammenhalten, geht die Straße kaputt."

Bereits am Tag nach dem Anschlag beginnen die Anwohner der Keupstraße mit den Aufräumarbeiten. Die Angst schweißt sie zusammen. Die Geschäftsleute kommen zusammen, um über das weitere Vorgehen gemeinsam zu beraten. „In zwei bis drei Wochen ist der Laden wieder in Ordnung", sagt Aygül Yildirim entschlossen, die Frau von Özcan Yildirim, vor dessen Haarstudio die Bombe explodierte. Nebenan, bei „Dügün Evi", einem Fachgeschäft für Hochzeitsartikel, setzen sie schon eine neue Schaufensterscheibe ein. So rasch wie möglich soll der Alltag zurückkehren in die Keupstraße. Ein Alltag, von dem keiner sagen kann, wie lange er ruhig bleiben wird.

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