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Panorama: Aus der Luft gegriffen?

Kann Sars ohne direkten Kontakt übertragen werden? Deutsche Experten sind trotz der Berichte aus Hongkong skeptisch

Die Nachrichten können Angst machen: Am Montag wurde allein aus der chinesischen Sonderzone Hongkong von 92 neuen Sars-Fällen berichtet. Die WHO hält es für möglich, dass der Erreger der neuen Atemwegserkrankung ansteckender als das Ebola-Virus ist.

Gleichzeitig äußerte der Gesundheitsminister von Singapur, ein Infizierter könne bis zu 40 Menschen aus seiner Umgebung anstecken. In Hongkong wurde die Vermutung laut, das Virus könne auch durch die Luft übertragen werden. Dafür gibt es allerdings bisher keine Hinweise. Sicher ist, dass das neuartige „Schwere Akute Atemwegssyndrom" (Sars) durch Tröpfcheninfektion beim direkten Kontakt von Gesicht zu Gesicht übertragen werden kann. Beim Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg hält man außerdem so genannte Schmierinfektionen durch den Stuhl des Erkrankten für möglich.

Wohnblock abgeriegelt

Besonders pflegende Familienangehörige oder Pflegekräfte in Krankenhäusern sind gefährdet. Hier liegt auch die Parallele zu Ebola, einer schweren Krankheit, die aber nur enge Kontaktpersonen bedroht. Tatsächlich sind nach wie vor die allermeisten Sars-Kranken Familienangehörige oder Pflegende. „Man holt es sich eben nicht auf der Straße, sondern durch direkten Kontakt mit Erkrankten", sagt der Direktor des Bernhard- Nocht-Instituts, Fleischer.

Bisher wurde noch kein Fall bekannt, in dem ein Infizierter andere Menschen angesteckt hätte, bevor er selbst erkrankte. Offensichtlich werden die Viren erst ausgeschieden, wenn die Krankheit schon ausgebrochen ist. Zu diesem Zeitpunkt, etwa drei bis sieben Tage nach der Ansteckung, haben die Patienten hohes Fieber, Muskelschmerzen, Halsschmerzen, Atemnot und eventuell auch eine Lungenentzündung. Sie fühlen sich so schwer krank, dass sie zu Hause im Bett bleiben oder in eine Klinik gebracht werden. Deshalb gibt es Hoffnung, dass aus Sars keine Seuche wird.

Aber wie passen die Nachrichten über eine Wohnanlage in Hongkong, aus der alle am Montag gemeldeten Neuinfizierten stammen sollen, dazu? Hatten sie alle persönlichen Kontakt miteinander? Zunächst ist noch unklar, ob bei allen Erkrankten das neue Corona-Virus, das Sars allein oder in Kombination mit einem anderen Erreger auslösen soll, schon mit einem Antikörpertest oder auf molekularbiologischem Weg per Gensonde nachgewiesen wurde. Andernfalls ist es gut denkbar, dass sie unter einem anderen schweren Infekt leiden, der – zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort! – fälschlich für Sars gehalten wird. Falls es sich aber wirklich um Sars-Infektionen handeln sollte, so geben die Tropenmediziner und Infektionsexperten vom Bernhard-Nocht-Institut zu bedenken: „In den hauptsächlich betroffenen Regionen in Südostasien leben mehrere Millionen Menschen auf zum Teil engstem Raum." Eine Tröpfcheninfektion kann sich dann im engsten Wohnumfeld, aber auch in einem öffentlichen Verkehrsmittel ereignen, in dem Menschen zur Rush-Hour dicht gedrängt stehen.

Das würde um so wahrscheinlicher, je mehr leichte Sars-Fälle vorkommen, bei denen sich die Infizierten nicht wirklich krank fühlen, aber trotzdem Viren ausscheiden. Unter dem Gesichtspunkt der Weiterverbreitung einer Infektionskrankheit stellen gerade solche leichten Fälle eine Gefahr dar.

Der Mundschutz, den die Fahrgäste auf den Fotos aus Hongkong tragen, ist deshalb ein sinnvolles Accessoire, wie der Charité-Virologe Detlev Krüger betont: Die Viren selbst sind zwar winzig. „Doch meist sind sie an größere Partikel, etwa aus Staub, gebunden." In einem Punkt geben die Experten vom Hamburger Tropeninstitut übrigens ganz sichere Entwarnung: Durch Gegenstände, etwa aus Südostasien importierte Güter, kann sich keiner die beunruhigende Erkrankung holen.

Adelheid Müller-Lissner

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