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Der Amokläufer vor dem ProzessFoto: ddp

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Panorama: Aus Hass auf die Welt

Prozess gegen Ansbacher Amokläufer hat begonnen

Ansbach - In sich zusammengekauert, die Kapuze seiner Jacke tief im Gesicht, den Schal bis zur Nase gewickelt und die Augen von einer Sonnenbrille verdeckt – so lässt der Angeklagte vor dem Landgericht Ansbach das Blitzlichtgewitter der Fotografen über sich ergehen. Was Staatsanwalt Jürgen Krach Georg R. vorhält, wiegt schwer: Versuchter Mord in 47 Fällen, versuchter Totschlag in zwei Fällen, gefährliche Körperverletzung und versuchte besonders schwere Brandstiftung. Und fast nichts davon bestreitet der Angeklagte. Mit einem Geständnis hat der Prozess zum Amoklauf von Ansbach am Donnerstag begonnen.

Es war der 17. September 2009. Während seine Mitschüler in der ersten Unterrichtsstunde sitzen, stürmt der damalige Abiturient mit selbst gebauten Molotowcocktails, Messern und einer Axt bewaffnet in das Gymnasium Carolinum. Im dritten Stock wirft er einen Brandsatz in den Klassenraum der 10b. Als die Schüler in Panik vor den Flammen flüchten, erwartet sie Georg R. vor der Tür – mit dem Beil in der Hand. Eine 15-Jährige kann den Hieben nicht ausweichen, sie erleidet ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und überlebt nur dank einer Notoperation. Ein weiteres Mädchen zieht sich schwere Brandwunden zu. Insgesamt werden 15 Menschen verletzt. Den Täter stoppen Polizisten mit drei Schüssen auf der Jungentoilette.

Vor Gericht habe der 19-Jährige eingeräumt, dass er eine unbestimmte Zahl vonSchülern umbringen wollte, berichtete ein Justizsprecher aus der nichtöffentlichen Verhandlung. Nur in einem Punkt kam demnach eine Korrektur vom Angeklagten gekommen: Er habe die Polizisten nicht töten wollen, sondern gehofft, sie würden ihn erschießen. Zuvor hatte der Amokläufer versucht, sich umzubringen. Erste Selbstmordgedanken soll Georg R. in der neunten Klasse gehabt haben. Bei der Tat empfand der Schüler kein Mitleid mit seinen Opfern. Er habe sie nicht als Menschen, nicht als lebenswerte Geschöpfe empfunden, berichtete der Sprecher. Bei seiner Therapie in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung strebe er das Ziel an, Mitleid zu empfinden.

Ein Gutachter hat dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung attestiert: Georg R. sei schizophren. Sein Motiv – „Hass auf die Gesellschaft und die Institution Schule“ – hatte er auf 86 Seiten in seinem PC dokumentiert. Staatsanwalt Krach betont: „Seine Einsicht, das Unrecht seines Tuns zu erkennen, war weder eingeschränkt noch aufgehoben.“ Es sei zu erwarten, dass Georg R. weitere Straftaten begehen werde. „Er ist deshalb für die Allgemeinheit gefährlich.“ Die Urteilsverkündung ist für den 29. April geplant. Der Ansbacher Amokläufer ist der erste, der vor Gericht steht. Die Täter von Freising (2002), Erfurt (2002) Emsdetten (2006) und Winnenden (2009) hatten sich selbst gerichtet. dpa

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