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Panorama: Ausgelöffelt

Nicht überall, wo "Bio" draufsteht, ist auch "Bio" drin. Diese alarmierende Erfahrung mussten jetzt Eltern machen, die ihre Babys mit Gläschenkost aus kontrolliert-biologischer Herstellung zu füttern pflegen.

Nicht überall, wo "Bio" draufsteht, ist auch "Bio" drin. Diese alarmierende Erfahrung mussten jetzt Eltern machen, die ihre Babys mit Gläschenkost aus kontrolliert-biologischer Herstellung zu füttern pflegen. Bisher konnten sie davon ausgehen, dass ihr Nachwuchs auf diese Weise möglichst chemiefrei ernährt wird. Doch dann kam, wie bereits kurz berichtet, die Rückrufaktion zweier Biokosthersteller für verschiedene birnenhaltige Breisorten, die mit dem Pflanzenschutzmittel Chlormequat belastet sind. Wie konnte das passieren?

Die betroffenen Hersteller DE-VAU-GE und Sunval, die unter verschiedenen Markennamen auftreten und Gütesiegel von "Bioland" und "Demeter" tragen, fahnden selber noch nach den Ursachen. Klar ist immerhin, dass der Wachstumsregler Chlormequat bei Birnen eigentlich nichts zu suchen hat: Die Ammoniumverbindung, die unkontrolliertes Sprießen verhindern soll, ist bei der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland nur zur Festigung von Getreidehalmen zugelassen; für Bio-Bauern ist sie tabu.

Und auch das steht nach Angaben der beiden Firmengruppen inzwischen fest: Die belasteten Birnen stammen allesamt aus Italien. "Die nötigen süßen Sorten gibt es nur dort", erläutert ein Mitarbeiter von DE-VAU-GE im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Unklar ist aber, wie die Chlormequat-Rückstände in die Birnen gelangt sind. Entweder haben sich angebliche Bio-Bauern heimlich und vorsätzlich über das Anwendungsverbot hinweg gesetzt - oder die Erzeuger gehören zu den so genannten Umstellungsbetrieben, die vor ihrem Wechsel zum Bio-Anbau noch konventionell gewirtschaftet haben und in deren Birnbäumen noch Reste der langlebigen Chemikalie gespeichert sind.

Für die besorgten Kunden gibt es zumindest einen Trost: Auch wenn sie die belasteten Birnen-Gläschen schon vor der Umtauschaktion verfüttert haben, müssen sie sich wohl dennoch keine großen Sorgen machen. Die von Lebensmittelkontrolleuren gefundenen Rückstände in Höhe von 0,03 bis 0,04 Milligramm Chlormequat pro Kilogramm Brei übertreffen zwar deutlich den für Babynahrung zulässigen, besonders strengen Vorsorge-Grenzwert von 0,01 Milligramm, aber das "Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin" (BgVV) stuft sie trotzdem nicht als gesundheitsschädigend ein. Denn die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte Tagesdosis der Chemikalie wäre nach Berechnungen des BgVV erst dann überschritten, wenn ein sieben Monate altes Baby mehr als 40 Gläschen Birnenbrei am Tag vertilgen würde.

Aber warum haben erst staatliche Kontrolleure die Rückstände entdeckt, obwohl doch auch die Biokost-Hersteller selber ihre Ware testen? Weil man nur das findet, wonach man sucht. Die Firma Sunval überprüfte ihre Zulieferungen bisher nur auf die 200 wichtigsten von weit über tausend Pflanzenschutzmitteln. Chlormequat war bislang nicht dabei - "weil wir davon ausgegangen sind, dass es nicht eingesetzt wird, da es für Biokost verboten ist", wie ein Firmensprecher sagt. Ab sofort komme es auch auf die Prüfliste, versichert er unserer Zeitung. Konkurrent DE-VAU-GE testet zwar nach eigenen Angaben seit einiger Zeit durchaus auch auf Chlormequat, war bisher aber nicht selber fündig geworden. Obwohl die Lebensmittelkontrolleure nur einzelne Produktionsmengen beanstandet haben, bieten die Hersteller alle birnenhaltigen Breie zum Umtausch an - mehrere hunderttausend Gläschen.

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