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Bad Reichenhall

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Bad Reichenhall: Systematische Schlamperei

Vor zwei Jahren starben beim Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall 15 Menschen - jetzt beginnt der Prozess.

Kurz nach 15.30 Uhr am 2. Januar 2006 wäre das Unglück noch abzuwenden gewesen. Zu diesem Zeitpunkt – der sogenannte Publikumslauf endet bald – informiert ein Mitarbeiter der Bad Reichenhaller Stadtverwaltung den Trainer des örtlichen Eishockey-Vereins, Thomas Rumpeltes, dass das spätere Training für den Nachwuchs gestrichen werden müsse. Es fällt, so erinnert sich Rumpeltes später, das Wort „Einsturzgefahr“. Seit Tagen schneit es in Bad Reichenhall. Der Schnee liegt nass und schwer auf dem Dach der Halle, die 1973 gebaut worden ist.

Zwanzig Minuten später besteht sie nur noch aus Trümmern. Die Eishalle Bad Reichenhall, sagt ein Zeuge später, knickt kurz vor 16 Uhr „zusammen wie ein Kartenhaus“. Dreißig Minuten später sind Rettungsmannschaften vor Ort, halb Bayern wird aktiviert, die Einsatzkräfte arbeiten Tag und Nacht. Am späten Abend des 4. Januar bergen sie das fünfzehnte und letzte Todesopfer; viele Kinder und Jugendliche sind darunter. Seit zwei Jahren hat deren Angehörige die Frage nach dem Warum der Katastrophe von 2006 nicht losgelassen. Erste Anschuldigungen waren schnell ausgesprochen. Noch während Hoffnung bestand, Überlebende zu finden, richtete sich der Unmut vor zwei Jahren vor allem auf „Schlampigkeiten“ seitens der Stadt, wie es damals hieß, und namentlich des Oberbürgermeisters Wolfgang Heitmeier.

Heute nun beginnt am Landgericht Traunstein der Prozess in Sachen Eishalleneinsturz, für den die dortige Staatsanwaltschaft lange und aufwendig ermittelt hat. Angeklagt sind ein Statiker, der ehemalige Chef des Hochbauamts in Bad Reichenhall, ein Architekt und ein Bauingenieur. Teilweise sind die wegen fahrlässiger Tötung in 15 und fahrlässiger Körperverletzung in 6 Fällen Angeklagten längst außer Dienst. Viele der 1973 beteiligten Handwerker sind nicht mehr am Leben, zahlreiche Unterlagen wurden bereits vernichtet. Der damalige Zimmerer etwa, verantwortlich für das Verleimen der Deckenholzkonstruktion, ist tot.

Mehr oder minder steht fest, dass der Bau der zehn Millionen teuren Eishalle 1973 oft auf dem kurzen Dienstweg zwischen Planung und Bauaufsicht vorangetrieben worden ist; so gut wie sicher ist auch, dass eine beauftragte Firma die Tragfähigkeit des Dachs seinerzeit falsch berechnet hat. Gleichwohl wird die Stadt Bad Reichenhall kaum belangt werden können, schließlich hatte sie noch im Jahr 2003 ein – schlecht bezahltes – Gutachten bei einem jetzt angeklagten Bauingenieur bestellt, demzufolge die Tragkonstruktion dann in einem „allgemein als gut zu bezeichnenden Zustand“ gewesen sein soll. Untersucht wurde jedoch nur einer der Hauptträger unter dem Hallendach. Ignoriert wurden über Jahre hinweg etliche Meldungen von Bürgern, die monierten, dass sich in der Halle große Wasserpfützen bildeten, weil wohl das Dach undicht sei. Vor Gericht sollen die vorhandenen Teile dieses schrecklichen Puzzles so zusammengesetzt werden, dass ein Gesamtbild entsteht. Dabei wird die Taktik der Verteidiger darauf abzielen, die Stadt zu belasten, weil sie, wie der Anwalt Thomas Pfister sagt, „den Kopf aus der Schlinge ziehen“ wolle. Für ihn werden in Traunstein die Falschen zur Verantwortung gezogen.

Unterdessen haben sich Mitte vergangener Woche die Angehörigen der Opfer mit der Stadt Bad Reichenhall nach längerem Streit wenigstens auf eine Regelung verständigt, die das geplante sogenannte Monument betrifft. Es soll die provisorische Gedenkstätte ablösen, die nach den Geschehnissen von 2006 an der Münchner Allee entstanden war, in der Nähe der ehemaligen Eishalle. Außer einem Gedenkweg mit 15 Bäumen ist die Errichtung von 15 Stelen geplant. Ein dabei eingebauter Knick, heißt es seitens der Angehörigen, nehme dabei ausdrücklich optisch und inhaltlich Bezug auf das Versagen der Stadt.

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