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O'zapft is auf chinesisch.

© Benedikt Voigt

Bayrisch-chinesische Freundschaft: Grünes Bier beim Pekinger Oktoberfest

Peking kopiert das Münchner Oktoberfest. Aber Lederhose und Dirndl allein machen noch keine bayerische Kultur. Vor allem das Bier bereitet Probleme.

Spätestens am Schanktresen wird klar, dass auf diesem Oktoberfest etwas schiefläuft. Dabei erinnert manches in dem riesigen Vergnügungspark namens Xiedao im Pekinger Nordosten an das Original aus München. Die chinesischen Bedienungen tragen Lederhosen oder Dirndl, die Gäste sitzen auf hölzernen Bänken und stemmen bayerische Maßkrüge in die Höhe. Unter dem Zeltdach hängen Schilder mit den Schriftzeichen für „Königseer Hell“ und „Andechs“. Das Gebräu aus den oberbayerischen Orten aber fehlt, stattdessen steht auf dem Schanktresen: Grünes Bier.

„Ist das deutsches Bier?“, fragt Daniel Zhao, offenbar vom Bier der Farben Grün, Gelb und Schwarz verunsichert. „Im Supermarkt schmeckt deutsches Bier besser“, sagt er. Der Chinese aus Peking sitzt mit Freunden vor der Trinkhalle im Smog der Qualität „gesundheitsgefährdend“, wie der Luftqualitätsindex der US-Botschaft an diesem Abend meldet. Doch in das nur zu einem Fünftel besetzte Festzelt hineingehen will Daniel Zhao nicht. „Die Musik ist zu laut“, findet er. Und das will etwas heißen im sonst so lärmbegeisterten China. Das Pekinger Oktoberfest nennt er deshalb höflich auf Englisch: „so-so“. Heißt: Es gefällt ihm nicht.

Das Internationale Bierfest von Peking war 2011 mit ehrgeizigen Plänen und großen Schlagzeilen gestartet. Acht Festzelte mit insgesamt 84 000 Plätzen stellte der chinesische Unternehmer Fu Xiuping in seinem Amüsierpark in der Nähe des Pekinger Flughafens vor den Toren der Stadt für das vierwöchige Fest zur Verfügung. Eine Millionen Menschen sollten kommen und dem Münchner Original Konkurrenz machen. Als Berater zog Fu Xiuping den Sohn des gleichnamigen Münchner Oktoberfestwirtes Michael Schottenhamel hinzu. Dieser brachte Münchner Wiesn-Know-how per Lufthansa-Fernflug mit: einen Braumeister aus Weihenstephan, bayerische Dirndlschnittmuster sowie 200 Köche und Bedienungen. „Es war vereinbart, dass wir hohe Qualität und eine enge Anlehnung an das Original bieten, wir haben alles dazu getan“, sagt Michael Schottenhamel, „während des Festes wurden wir dann immer weniger gefragt.“

Von Beginn an feierte Peking ein Oktoberfest à la China: Auf den Damentoiletten fehlten die Trennwände, die Software für die Bestellungen war auf chinesisch, was kein Problem wäre – wenn die Bedienungen nicht aus Bayern gekommen wären. Sie begannen, die Schriftzeichen für Schwein und Huhn zu lernen. Als die Besucher ausblieben, senkten die Veranstalter die Kosten - und damit auch die Qualität. Zum Leidwesen von Schottenhamel: „Ich war der Überzeugung, dass man über Qualität mehr Besucher erreicht als über den Preis.“ Richtig auf die Beine kam das Fest auch so nicht mehr. Schottenhamel war an der zweiten Auflage nicht mehr beteiligt.

Dabei kann ein Bierfest in China durchaus erfolgreich sein, wie das jährliche Fest in Qingdao beweist, der Heimat der Tsingtao-Brauerei. Die Biernachfrage ist in China enorm gestiegen. Wie der Hopfen-Weltmarktführer Barth in seinem jährlichen Bericht feststellt, wurden im vergangenen Jahr 25 Prozent der Biere weltweit in der Volksrepublik gebraut. Mit 490 Millionen Hektolitern Bierausstoß liegt China mit großem Abstand an der Spitze der größten Bierbrauerländer, die USA folgen auf Rang zwei mit 225 Millionen Hektolitern, Deutschland belegt Rang fünf mit 95 Millionen Hektolitern. Die Chinesen trinken immer mehr. Nur nicht beim Bierfest von Peking.

In diesem Jahr wird den Besuchern ein Crossover der Weltkulturen serviert. In bayerischer Kleidung bringen die Bedienungen chinesisches Essen mit Sauerkraut. Dazu tanzt eine russisch-ukrainische Mädchengruppe zu US-amerikanischer Hip-Hop-Musik. „Das ist unsere Promotiontruppe“, sagt eine chinesische Helferin, die nicht will, dass man mit den Mädchen spricht. Sie heißen Natascha und Swetlana und müssen keine Maßkrüge schleppen. Stattdessen lösen sie abends auf der Bühne die lärmende chinesische Rockband mit ukrainischen Volkstänzen ab. Manche Chinesen klatschen begeistert. „Das sind vor allem einfache Leute aus der Umgebung“, sagt eine Chinesin, „Pekinger kommen hier kaum her.“

Michael Schottenhamel will seine Vision noch nicht aufgeben. „Ich würde es gerne wieder machen, auch in China“, sagt der Unternehmer, „ich halte es für wichtig, die Münchner Heiterkeit und Feierkultur als Teil bayerischer Kultur ins Ausland zu bringen.“ Das nächste Mal sollte er allerdings auch das entsprechende Bier mitbringen.

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