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Panorama: Bedrohte Tierarten: Kein Platz für Pandas

Sie haben sich vor den Menschen zurückgezogen. Tief in die Wälder von Sichuan, im Schatten des Himalajas leben heute die letzten Pandas der Erde in ihrem natürlichen Lebensraum.

Sie haben sich vor den Menschen zurückgezogen. Tief in die Wälder von Sichuan, im Schatten des Himalajas leben heute die letzten Pandas der Erde in ihrem natürlichen Lebensraum. Rund 1000 frei lebende Pandas gibt es noch. Um sie zu schützen hat die chinesische Regierung 1963 ein Naturschutzreservat, das Wolong-Gebiet, eingerichtet. Auf 200 000 Hektar, dem größten Schutzgebiet für Pandas der Erde, sollten die scheuen Tiere vor der Zivilisation geschützt und vor dem Aussterben gerettet werden. Doch das Gebiet wird durch den Menschen noch stärker als bisher bedroht, wie Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben.

In einer Langzeitstudie kommen Forscher der Michigan State Universität zu dem Schluss, dass der Lebensraum für Pandas innerhalb von Wolong immer kleiner wird. Die Zerstörung schreite sogar schneller voran, als in den angrenzenden ungeschützten Gebieten, schreibt der amerikanische Panda-Forscher Liu Jianguo in der neusten Ausgabe der Zeitschrift "Science". Die Zahl der Pandas in Wolong sei zwischen 1974 und 1986 von 145 auf 72 gesunken. Heute sei die Zahl der frei lebenden Pandas in dem Reservat vermutlich noch geringer. Die genaue Zahl kennt niemand. Selbst Tierforscher müssen oft monatelang in Wolong auf der Lauer liegen, ehe sie eines der scheuen Tiere sehen.

Gerodete Bambuswälder

Als Grund für das Verschwinden der Pandas nennt Liu die wachsende Abnahme unberührter Bambuswälder in Wolong. Satellitenaufnahmen über einen Zeitraum von 32 Jahren hätten ergeben, dass die zusammenhängenden Waldgebiete in dem Naturschutzpark massiv abgenommen hätten - zum Teil schneller als in anderen Teilen der Provinz Sichuan. Hauptgrund dafür ist die rapide Zunahme der Bevölkerung in dem Schutzgebiet, das vor allem von nationalen Minderheiten bewohnt wird. Ethnische Minderheiten müssen sich in China nicht an die Ein-Kind-Politik halten. Einst zusammenhängende Waldgebiete in Wolong seien heute zerstückelt, heißt es in der Studie. Für die Pandas, die seit 500 000 Jahren in Sichuan leben, bleiben immer weniger, versteckte Waldgebiete übrig.

Die Ergebnisse sind ein Rückschlag für die jahrelangen Bemühungen, den Panda vor dem Aussterben zu retten. Wolong ist das größte und letzte Schutzgebiet, in dem Pandas in freier Natur leben. China hat den Schutz des Pandas zu einer nationalen Aufgabe erklärte. 1980 wurde der World Wide Fund for Nature (WWF) als Partner nach Wolong geholt. Die chinesischen Staatspresse berichtet bis heute von Erfolgen beim Schutz des Pandas in Wolong. Demnach habe sich der Anteil der Waldfläche seit 1963 von 53 auf 70,6 Prozent erhöht. Allerdings räumen auch chinesische Forscher ein, dass in Wolong immer weniger Pandas leben. Die Zerstörung der Waldgebiete in Sichuan könnte langfristig das Aussterben der Tierart bedeuten. Die "Einsiedler der Bambuswälder", wie die Chinesen die Tiere nennen, gelten als äußerst scheu und sensibel. In Gefangenschaft verweigern die Tiere fast immer die Fortpflanzung. Nur jeder fünfte weibliche und zehnte Panda in Zoos oder Freilandgehegen ist zeugungsfähig - und noch weniger sind auch zeugungswillig. Wissenschaftler versuchen durch Tricks, zum Teil durch besondere Speisen und erotische Arrangements, die Libido der Pandas zu erhöhen. Die einzig verlässliche Methode ist jedoch, die Weibchen zu betäuben und künstlich zu befruchten.

Seit einigen Jahren arbeiten Forscher in Peking an einem umstrittenen Projekt, Pandas durch Klonen zu vermehren. Vorbild ist das Dolly-Schaf, wobei die DNA des Pandas in die entkernte Eizelle eines Kaninchens eingebaut und anschließend von einem artfremden Tier - vermutlich einem Hund - ausgetragen werden soll. Das Projekt wird auch in China scharf kritisiert. Durch Klonen, argumentiert der Biologe Zhang Anju, könne man zwar neue Pandas produzieren. Das Erbgut der Tiere wäre jedoch immer gleich. Langfristig bedeute dies das sichere Aussterben der Pandas.

Harald Maass

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