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Hummer

© Kai-Uwe Heinrich

Beifang-Streit: Hummer-Kummer

Fisch und Hummer, das sind zwei verschiedene Welten: In Maine kämpfen die Fischer ums Überleben.

Die Möwen machen keinen Unterschied zwischen Fisch und Hummer. Kreischend umkreisen sie jeden Kutter, der in den Hafen einläuft und seinen Fang entlädt - in der Hoffnung, dass für sie etwas abfällt. Doch die Einheit der Menschen, die vom Meer leben hier oben in Maine, dem nordöstlichsten Staat der USA, zeigt einen tiefen Riss. Vielleicht gab es die vermeintliche Harmonie auch nur für die Touristen, für die Fischer gleich Fischer ist und die wenig darauf achten, welches Fanggerät an Bord ist.

Die Boote mit den großen Trommeln am Heck, auf denen die Schleppnetze aufgewickelt sind, fahren wegen Kabeljau, Schellfisch und Katzenhai hinaus aufs Meer. Jene mit mehreren Reihen gestapelter Metallkäfige aus Drahtgeflecht an Deck fangen Hummer – „Lobster“, den König der Krustentiere und das wohl bekannteste Produkt von Maine. Fischer und Hummerfänger: Anderswo auf der Welt mag das zusammengehen, selbst in den benachbarten Neuenglandstaaten New Hampshire und Massachusetts. Aber hier in Maine sind sie so unterschiedlich wie Hummer und Dorsch. Zwei Lebensweisen, zwei Philosophien, zwei unterschiedliche Lizenzen, die seit Generationen vom Vater an den Sohn übergingen. Und nun geraten sie auch noch in wirtschaftliche Konkurrenz. Die Fischer sind in einer Überlebenskrise. Den Hummer-Fängern geht es ökonomisch blendend, die Preise sind über die Jahre kontinuierlich gestiegen. Beim Fisch läuft es umgekehrt: 300 Fisch-Trawler hatte Maine in den 80er Jahren; sie landeten damals mehr als 31 640 Tonnen pro Jahr an. Jetzt gibt es noch 100 Schiffe, die magere 7232 Tonnen heimbringen. „Weil ihr überfischt und euch damit selbst zugrunde gerichtet habt“, sagt die Hummer-Lobby. „Nein“, entgegnet die Fisch- Lobby, „weil wir angesichts der strengen Gesetz in Maine nicht konkurrieren können gegen die Konkurrenz in Massachusetts mit ihren laxen Vorschriften.“

In Maine ist es verboten, Hummer mit dem Schleppnetz zu fangen. Die Tiere fängt man mit Fallen. Alle Hummer, die die Fischer aus Maine im Netz finden, müssen sie wieder über Bord werfen. Sie machen sich strafbar, wenn sie mit Lobster an Bord in einen Hafen einlaufen. Für die Konkurrenz in Massachusetts ist der so genannte „Bycatch“, der Zusatzfang, eine Hilfe im Überlebenskampf. Ein Gesetzesentwurf vom Frühjahr sollte es auch Maines Fischern erlauben, 100 Hummer pro Tag von ihren Fangfahrten mitzubringen, erklärt Hank Soule von der Portland Fish Exchange, einem Auktionshaus in der Hauptstadt, das 90 Prozent des Fischfangs von Maine umschlägt. Das entspreche maximal sechs Prozent aller Hummerfänge im Staat - „verkraftbar für die Hummer-Fänger, aber die Rettung für die Fischer“.

Auch Gouverneur John Baldacci unterstützte das Projekt – aus Sorge, Maine werde allmählich seine gesamte Fischfangindustrie verlieren. An jedem Trawler hängen zahlreiche weitere Jobs im Hafen, von den Firmen für Schiffsdiesel und Ersatzteile über die Fischbörse bis zu den Weiterverarbeitungs- und Verpackungsbetrieben. Doch die Hummer-Lobby wehrt sich. „Die können sich nicht auf unsere Kosten retten“, schimpft David Cousens, Präsident der MLA, der Maine Lobstermen's Association. Er drohte Proteste von 6400 Hummer-Fängern an und zog bei der Gelegenheit über die barbarische Technik her, die Tiere mit dem Schleppnetz zu fangen. Das sei so, „als würde man ein Kartoffelfeld mit dem Bulldozzer abernten“. Er hat die öffentliche Stimmung im Staat auf seiner Seite, der Hummer ist schließlich der ganze Stolz an der Grenze zu Kanada und eine Hauptattraktion des Tourismus. Der Gesetzesentwurf wurde bereits bei der ersten Anhörung im Fischereiausschuss ad acta gelegt.

Nun drohen Maines Fischer, dass auch sie ihren Fang nach Massachusetts bringen, wo kein Gesetz das Anlanden von „bycatch lobster“ verbietet. Die Zahl solcher Fangfahrten von in Maine gemeldeten Trawlern hat sich seit 2000 verdreifacht, auf 160 im Jahr. Fisch im Wert von 9,6 Millionen Dollar sei so am Handel im Staat vorbeigegangen, besagt eine Studie. In den Häfen entlang Maines Küste sind die Meinungen gespalten, man hört viel Verständnis für die jeweils andere Seite. Vor der Hafenmeisterei in Bar Harbor am Eingang des Acadia National Park treffen wir Jim, der Maines Gesetze verteidigt. Maine- Fischer, die „bycatch lobster“ nach Massachusetts bringen, machten sich immer noch strafbar, sagt er. Von den beschränkten Fangquoten an nur noch 22 Tagen im Jahr könne man aber kaum leben, sagt Jim.

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