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Panorama: Belgien steht Kopf

Panik nach TV-Scherz über Teilung des Landes

Brüssel - Schon der weise Gallier Obelix hat es einst festgestellt: „Die spinnen, die Belgier!“, erklärte der Kumpan von Asterix bei einem Besuch in Frankreichs Nachbarland. Und genau diesen Eindruck kann man zurzeit wieder bekommen. Denn das Land von Premierminister Guy Verhofstadt steht Kopf. Der Grund ist eine Fernsehreportage des öffentlich-rechtlichen Senders RTBF. Der hatte in seinem Nachrichtenmagazin am Montagabend tatsächlich behauptet, der flämische Teil Belgiens habe sich losgelöst. Belgien sei geteilt und der König, der bisher den flämischen Norden und den frankophonen Süden zusammengehalten hat, sei außer Landes geflohen.

Kein Hinweis in der Fernsehzeitung, keine Ankündigung des Moderators ließen erkennen, dass es sich dabei – wie der Sprecher von Premierminister Guy Verhofstadt sagte – nur „um einen unpassenden Scherz“ handelte. Die Fiktion wurde 30 Minuten lang als Wahrheit verkauft.

Und dieser Witz hat belgische Politiker und Bürger in Panik versetzt. Richtig ängstlich hätten die Belgier in der Telefonzentrale des Senders, aber auch bei der Regierung angerufen, um herauszufinden, ob das, was sie da gerade sahen, tatsächlich der Wahrheit entsprach.

Die Sendung ruft besonders viel Aufregung hervor, weil Belgien schon seit einigen Monaten immer wieder von Unabhängigkeitstendenzen heimgesucht wird. Erst vor einigen Monaten forderte eine Gruppe von flämischen Unternehmern mehr Kompetenzen für die Region.

„Gerade jetzt, wo unser Land von separatistischen Tendenzen geschüttelt wird, ist es unverantwortlich, die Zuschauer glauben zu lassen, Flandern hätte sich eigenmächtig für unabhängig erklärt“, sagte Elio Di Rupo, sozialistischer Ministerpräsident des frankophonen Teils Belgiens. Der öffentlich-rechtliche Sender habe das Vertrauen der Zuschauer missbraucht, fügte er hinzu. In Flandern reagierten die Politiker ähnlich. Solche Sendungen entsprächen nicht dem Bild von seriösem Journalismus. „Schließlich haben wir nicht den 1. April“, sagte ein Sprecher der flämischen Regionalregierung.

Nur Filip Dewinter, Vorsitzender der rechtsextremen Partei „Vlaams Belang“, war erfreut über die Reportage: „Sie hat gezeigt, dass eine Abspaltung Flanderns keine Utopie ist, sondern durchaus realitätsnah. “ Dewinter setzt sich für eine Spaltung des Landes ein.

Ob die Reportage für den Fernsehsender RTBF Konsequenzen haben wird, ist noch unklar. „Das ist eine journalistische Arbeit, die die Diskussion anregen soll“, erklärte RTBF-Chef Jean-Paul Philippot.

Ob sich die Politiker in Brüssel damit zufrieden geben, steht noch nicht fest. Es sei zu früh, über mögliche Sanktionen zu sprechen, erklärte gestern Nachmittag die zuständige Ministerin Fadila Laanan. Sie will zunächst mit den Verantwortlichen von RTBF beraten.

Verrückt oder unverantwortlich? Die Urteile von Politikern und Publikum überschlagen sich seit Mittwochabend. Ein Arzt in Brüssel brachte die ganze Aufregung auf den Punkt: „Das ist eben typisch belgisch.“

Ruth Reichstein

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