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Rainer Maria Woelki.

© AFP

Berliner Erzbischof: Die Erschaffung des Rainer Maria Woelki

Papst Benedikt XVI. hat Berlins Erzbischof Rainer Maria Woelki während einer feierlichen Zeremonie im Petersdom des Vatikan zum Kardinal ernannt. Woelki freut sich über die „Auszeichnung“ für die deutsche Hauptstadt.

Noch am Freitag fühlte er sich „wie im falschen Film“ oder wie im Traum: „Manchmal denke ich, ich muss mich selber kneifen.“ Seit Samstag aber steckt er in seinem ganz wirklichen neuen Leben. Der Papst hat ihm den besonderen Treueschwur abgenommen, das scharlachrote Birett aufgesetzt, den massiven Goldring angesteckt: Erzbischof Rainer Maria Woelki ist Kardinal.

Die obersten Würdenträger der katholischen Kirche, die engsten Berater des Papstes, die Wähler seines Nachfolgers, sie werden nicht ernannt wie Pfarrer oder Bischöfe. Sie werden – nach dem lateinischen Fachausdruck – „kreiert“: Der Papst „erschafft“ Kardinäle damit genauso wie der Herrgott seinerzeit die Welt.

Woelki allerdings nahm seinen „Urknall“ eher still und geschäftsmäßig. Timothy Dolan, der – allein körperlich – formatfüllende Erzbischof von New York, der beim Gottesdienst im Petersdom vor Woelki an der Reihe war, er näherte sich dem Thron Benedikts XVI. in lächelnder amerikanischer Lässigkeit, wusste, dass Fernsehkameras aus aller Welt auf die Szene gerichtet waren, stützte sich beim Niederknieen gar auf etwas, das die Armlehne des Papstes gewesen sein könnte und rang selbst diesem einen Moment überraschende Heiterkeit ab.

Woelki hingegen, konzentriert, rote Backen, gebeugte Schultern, ernst und unauffällig, er holte sich die Ehrung ab wie im Vorübergehen. Danach, beim Sektempfang der Deutschen Bischofskonferenz, sagte er, die Auszeichnung gelte „weniger meiner Person als vielmehr dem Erzbistum Berlin und der deutschen Hauptstadt, die auch Sitz der Bundesregierung ist“. Und so wie er das herüberbrachte, wirkte der Satz nicht wie eine höflich dahingesagte Koketterie.

22 Geistliche – Bischöfe und Fachtheologen – erhob Benedikt XVI. am Samstag zu Kardinälen. Mit Woelki nahm auch ein zweiter Kölner die Auszeichnung entgegen: der Dogmatikprofessor Karl Josef Becker. Benedikt kennt und schätzt ihn aus der vatikanischen Glaubenskongregation, wo Becker als Berater unter anderem für die Gespräche mit den Piusbrüdern tätig war. Womöglich rührt daher auch der kleine Krimi, der sich um den knapp 84-jährigen Jesuiten zuletzt entsponnen hatte: Eigentlich sollte Becker bei der Feier gar nicht dabei sein; das vatikanische Staatssekretariat hatte ihn von Amts wegen krank gemeldet. Erst spät und etwas verdattert gestand die oberste Behörde des Papstes ein, dass sie es hätte besser wissen können. Und da der römischen Intrigen viele sind in diesen Wochen, gilt auch im Fall Becker ein „politischer“ Querschuss erzkonservativer Lobbyisten als nicht ausgeschlossen.

Die relativ meisten der 22 neuen Kardinäle – sieben von insgesamt 16 Europäern – stammen aus Italien; zehn bekleiden Leitungsämter in der römischen Kurie. Aber es sind, wie Timothy Dolan aus New York, auch namhafte Ortsbischöfe aus anderen Ländern dabei: der Prager Dominik Duka (68) zum Beispiel, der unter dem tschechoslowakischen Sozialismus nur insgeheim Priester sein konnte und als Zeichner in einer Autofabrik arbeiten musste. Oder Thomas Christopher Collins (65), Erzbischof von Toronto, der im Auftrag des Papstes die gewaltigen Missbrauchsaffären der Kirche in Irland und die Mitschuld der eigenen Bischöfe aufzuklären hatte.

Woelki hätte es durchaus schlimmer treffen können

Rainer Maria Woelki ist zum Kardinal ernannt worden.
Rainer Maria Woelki ist zum Kardinal ernannt worden.

© Reuters

Oder John Tong Hon (72), der kirchenpolitisch gesehen an einem der heikelsten Posten sitzt: In Hongkong ist er eine Art Brückenkopf des Papstes und Chefdiplomat gegenüber der kommunistischen Führung in Peking; andererseits soll er den Spagat halten zwischen den staatlich eingesetzten, kontrollierten Bischöfen und der verfolgten, romtreuen Untergrundkirche.

Alle neuen Kardinäle haben ihre „Familie“ mitgebracht, nicht nur die biologische, auch ihre kirchlich-politische. Woelkis Eltern, 82 und 83 Jahre alt, sind aus Köln gekommen, seine Schwester, sein Bruder, seine drei Neffen. Eine „bewegende, aufregende Feier“, erzählen sie, hätten sie erlebt, wenn sie auch – im Petersdom hinter einer Säule platziert – „nicht allzu viel gesehen“ haben. Und einzig Schwester Ursula – anders als ihr Kardinalsbruder keineswegs ein Karnevalsflüchtling – lässt leichte Wehmut erkennen, dass sie ausgerechnet in den närrischen Tagen nicht in Köln sein kann: „Aber eine Kardinalsernennung gibt’s halt nur einmal im Leben.“

Als rundherum erfreulicher Beweis für die Offenheit, die Dialogfähigkeit und die Akzeptanz des Berliner Neu-Erzbischofs werden in Rom aber die anderen gewertet, die sich der „Kardinalsfamilie“ angeschlossen haben: der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist dabei – und freut sich in Anspielung auf Woelkis neue Kleider launig, dass sein Berlin „endlich wieder rot geworden ist“. Markus Dröge ist da, der Bischof der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg, „weil mir die Ökumene am Herzen liegt“, und weil er Woelki wünscht, dieser möge „aus dem Land der Reformation“ ein „mutiger und weiser Berater“ des Papstes werden. Lala Süsskind ist da, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, sowie Vertreter der Landesregierungen, auch jener von Mecklenburg-Vorpommern. Und natürlich – bis auf Karl Lehmann – die anderen sieben Kardinäle aus Deutschland.

Mit seiner „Erschaffung“ als Kardinal ist Rainer Maria Woelki (55) auch in den elitären Kreis der derzeit 125 Papstwähler aufgestiegen. Und zur Fortführung der fast zweitausendjährigen Tradition, nach der ausschließlich hohe römische Geistliche den Papst küren dürfen, hat ihm Benedikt auch gleich eine Pfarrstelle vor Ort zugewiesen. Die Kirche des Heiligen Johannes Maria Vianney - eine gut 20 Jahre alte, graue Konstruktion aus Betonfertigteilen - liegt zwar am östlichen Stadtrand und damit vom Vatikan aus gesehen j.w.d. Es hätte Woelki aber durchaus schlimmer treffen können: Sein Münchner Kardinalskollege Reinhard Marx bekam vor Jahresfrist eine Kirche im Stadtteil „Infernetto“ zugeteilt. Wörtlich übersetzt: in der „kleinen Hölle“.

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