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Mit dem Rücken zum Wasser. Die Bärinnen drängen Knut an einen Platz vorne an der Ecke.

© imago stock&people

Berliner Zoo: Das ist nicht gut für Knut

Eine kanadische Tierexpertin ist entsetzt, wie der Berliner Zoo mit dem Eisbären umspringt. Und eine Grünen-Politikerin fordert gar die Entlassung von Zoodirektor Blaszkiewitz.

Vielen Besuchern tut es in der Seele weh. Kinder weinen – und sogar eine erwachsene Touristin, die extra aus Neuseeland kam. Wie ihr Knut da auf immer derselben Stelle auf dem unebenen Fels kauert, ängstlich zu den drei alten Weibchen nach oben guckt, die ihn attackieren. Bislang wirkte das bekannteste Zootier der Welt selbst in Gefangenschaft glücklich, erfreute Besucher und Fans überall auf dem Globus, doch nun können viele den Anblick gar nicht mehr ertragen. Sogar über einen Boykott des Zoologischen Gartens in Berlin wird schon im Internet diskutiert. Dabei tun Mitarbeiter und Pfleger für Knut, was sie nur können.

Die Grünen-Politikern Claudia Hämmerling forderte am Freitag die frühzeitige Entlassung von Zoo-Vorstand Bernhard Blaszkiewitz durch den Aufsichtsrat. Sie rufe den Senat auf, die Vergabe der zuletzt sieben Millionen Euro Steuergelder jährlich endlich an Bedingungen zu knüpfen, sagte sie dem Tagesspiegel.

Der FDP-Tierexperte Mirco Dragowski forderte, der Tierschutzbeauftragte solle in den Zoo-Aufsichtsrat entsendet werden. Außerdem solle Berlin mit Sponsoren wie der Berlin Tourismus Marketing ein internationales Expertenhearing zur modernen Tierhaltung am Beispiel der Eisbären veranstalten.

Man mag es verstehen oder nicht – aber die ganze Welt interessiert sich für Knut und leidet mit ihm. Das Ende der „Knutshow“, der drohende Wegzug aus Berlin – und jetzt sein erbärmlicher Zustand, das beschäftigt die Menschen weltweit. Die Nachrichtenagentur dpa registriert bei Knut-Geschichten deutlich höhere Abnahmezahlen. Selbst japanische und afrikanische Zeitungen sind in Sorge. Der Zoo sagt, es geht Knut gut, er müsse lernen, sich zu verteidigen.

Die kanadische Eisbär-Expertin Else Poulsen in Toronto hat sich die aktuellen Fotos und Videos von Knut angeschaut. Die Tierpflegerin, Zoomanagerin, Beraterin, Autorin und vielfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin ist entsetzt. „Viele Leute in Nordamerika sind schockiert, wie Berlin mit dem weltweit bekannten Tier umgeht“, sagte Else Poulsen dem Tagesspiegel. „Der Eisbär hat dem Zoo als Markenzeichen Millionen Dollar eingespielt – wie kann man ihn nur unter solchen tristen Bedingungen halten?“ Knut sehe schlecht aus, „seine Körperhaltung ist besorgniserregend“. Er habe Fellverlust „offenbar infolge von Stress, man sieht seine schwarze Haut darunter, und er hat zu wenig Muskeln für sein Alter“.

Warum die Weibchen ihn angreifen? Der Instinkt, in der Natur fühlen sich alte Bärinnen von jungen Männchen bedroht: „Die drei gehen als geschlossene Gruppe gegen ihn vor, wie eine Gang, das ist nicht gut.“ Wenn der Zoo nicht reagiere, werde sich ihrer Einschätzung nach daran nichts ändern. Jedes Tier fühle sich vom anderen bedrängt. Das Gehege sei „für diese vier Bären viel zu klein, die Haltungsbedingungen monoton, überhaupt nicht zeitgemäß, ich möchte fast sagen: grausam“. Dass Berlin kein „Enrichment“ – eine auch für die Zuschauer interessante, gezielte Beschäftigung der Tiere – anbiete, kann Else Poulsen gar nicht glauben. In Kanada und den USA seien solche Zoos wie in Berlin seit Jahrzehnten nicht mehr akzeptiert. Internationale Richtlinien schreiben die gezielte Beschäftigung vor. Else Poulsen sagte, Berlin könnte von einem Tag auf den anderen mit wenig Geld die Lebensbedingungen verbessern. Auch wenn Kritiker des Zoos befürchten, dass sich die Zoodirektion dann aus der Verantwortung stehlen könnte, ein neues Gehege zu bauen.

Bären seien wie Affen sehr intelligent, haben feste Tagesabläufe und ihr Gehirn müsse beschäftigt werden, damit sie keinen Stereotypien wie Hin-und-her-Laufen entwickeln. Poulsen sagt, die Konflikte könnten entschärft werden, wenn alle Eisbären beschäftigt würden. Sie bauen sich in der Arktis „Betten“ aus Gräsern und Büschen, deswegen würde man in Calgary, Detroit, San Diego, München, Köln, Hannover Bäume und Äste ins Gehege legen. Nicht nur Tannen zu Weihnachten, wie in Berlin.

Weil Eisbären sich instinktiv gern eingraben, gibt es anderswo nicht Felsen, sondern Holzborke und Rindenmulch. Und Bäume, zum Klettern und Verstecken. „Knut bekommt einmal im Jahr zum Geburtstag eine Eisbombe mit Fressen zum Pulen?“, fragt Poulsen in Kanada ungläubig. „So etwas braucht er täglich.“ In anderen Zoos dürfen die Pfleger ihre Tiere mit Kästen fordern, aus denen die Bären das Fressen angeln müssen. Ihr Hauptsinnesorgan sei die Nase, so werden in Zoos Duftspuren als Abwechslung gelegt. Und sogar lebende Fische verfüttert. „So lernen die Besucher was über die wahre Natur.“

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