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Francesca Pascale und Silvio Berlusconi bei einem öffentlichen Auftritt

© Tony Gentile/Reuters

Berlusconis Verlobte: Addio Bunga Bunga

Berlusconis Verlobte Francesca Pascale räumt in seinem Leben auf – und hat wohl auch politische Pläne.

Im Klub der letzten Ehefrauen sind die Regeln streng. Die Marquise de Maintenon verleidete ihrem Ludwig XIV. frühere und spätere Mätressen und schleppte den einst fröhlichen Sünder wann immer möglich in den Gottesdienst. Willy Brandts spätere Witwe Brigitte Seebacher soll dem Gatten die Zigaretten und den geliebten Weinbrand entzogen und Altkanzler Kohls Zweite Maike Richter dem Ihren sogar die Söhne entfremdet haben. Von der alten Patriarchenregel „Sie soll kleiner sein, sie soll jünger sein, sie soll dümmer sein“ stimmt für die letzten Ehefrauen zumindest Anforderung Nummer drei niemals. Die Letzte weiß, was sie will und setzt es mal mit dem, mal gegen den meist greisen Gatten durch. Als liefe ein ganzes langes Lotterleben am Lebensende wieder auf Mama hinaus: Übermächtig, vernünftig, ganz dem Wohl des Einzigen verpflichtet. Und gern auch so jung wie damals, als Mann selbst noch ein Kleinkind war.

So ähnlich sieht es seit einem Jahr auch im Hause Berlusconi aus, wenn man den italienischen Hofberichterstattungsgazetten „Oggi“ und „Chi“ glauben darf – verlässlichere Berichte gibt es nicht. Während Veronica Lario, die inzwischen geschiedene Mutter von Berlusconis drei Jüngsten, die Eskapaden des Gatten in den letzten ihrer vielen Ehejahre höchstens einmal öffentlich rügte, aber nie verhindern konnte oder wollte, hat die 28-jährige Neue, Francesca Pascale, im Leben des 77-jährigen Verlobten anscheinend Schluss gemacht mit lustig. Im Dezember vergangenen Jahres wurde die Neapolitanerin der Kamera-Öffentlichkeit in einer Mailänder Pizzeria als künftige Signora Berlusconi vorgeführt. Seitdem scheint Feierabend zu sein für die Bunga-Bunga-Sexpartys, zu wenig Schlaf wegen spätabendlicher Sitzungen mit den „colonelli“ seiner Partei und für zotige Witze. Fotos des neuen häuslichen Glücks zeigen Pascale und ihren Pascha, der darauf etwas tattrig wirkt, vorm Fernseher aufs Sofa gekuschelt, dazwischen Dudù, der fotogen verzottelte Pudel des Paars. Auch im Fürstenhaushalt in Berlusconis römischem Palazzo Grazioli, den sie mit ihm bewohnt, hat Pascale aufgeräumt. Als die handfeste Frau aus dem neapolitanischen Kleine-Leute-Viertel Fuorigrotta entdeckte, dass die Küchenbrigade ihres Künftigen grüne Bohnen zum Kilopreis von 80 Euro abrechnete und kistenweise frischen Fisch orderte – der Hausherr erträgt nicht einmal den Geruch von Fisch – war sie nicht amüsiert: Er sei ausgenutzt worden; die Lage im Palast, als sie bei ihm einzog, sei „nicht hinnehmbar“ gewesen, sagte sie in einem Interview mit „Oggi“. „Ich habe dann ein bisschen aufgeräumt, einfach das, was man machen musste.“

Pascale kurz vor der Urteilsverkündung gegen Berlusconi am Fenster des gemeinsamen Heims Palazzo Grazioloi in Rom
Palastherrin. Francesca Pascale kurz vor der Urteilsverkündung gegen Silvio Berlusconi in Rom.Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Von Fuorigrotta in den Palast mitten in Roms Altstadt war der Weg steil. Pascale, die ohne Mutter aufwuchs, jobbte bei einem Autohändler und geriet irgendwann auf den Bildschirm. Bei „Telecafone“ („Proll-TV“) war sie leicht bekleideter Teil der ebenfalls spärlichen Deko, fand aber bald in die Politik ihrer Heimatgegend und gehörte zu den Gründerinnen des Fanclubs „Silvio, du fehlst uns“. Mit Berlusconi, der mehrfach ihre bedingungslose Loyalität gelobt hat, soll sie schon längere Zeit zusammenleben. Im Sommer letzten Jahres zog sie sich aus dem Provinzparlament zurück, angeblich um „zu studieren“ – gemeint waren wohl ein Benimmkurs und etwas schönheitschirurgische Feinjustierung, die sie rechtzeitig zu Wahlkampfbeginn in eine geeignete First Lady verwandeln sollten.

Zu jenem „schamlosen Politmüll“, als den Veronica Lario die wechselnden Besatzungen von Berlusconis Girlscamp bezeichnete, scheint Pascale aber nicht zu gehören. „Es ist kein Zufall, dass gerade sie zur neuen offiziellen Freundin gemacht wurde“, sagt Conchita Sannino, die Neapel-Korrespondentin von „Repubblica“. Sannino beobachtet die neapolitanischen Verbindungen des Cavaliere seit Jahren für ihre Zeitung und deckte 2009 den Skandal um Berlusconis Beziehung zur minderjährigen Neapolitanerin Noemi Letizia auf. Im Unterschied zu den andern Partygirls, denen der Patron lukrative Pöstchen verschaffte, habe Pascale „wirklichen Sinn und Leidenschaft für Politik“, sagt Sannino. Sie sei zuverlässig und, wie auch immer die Natur ihrer Beziehung zu Berlusconi sei: „Sie bewundert ihn offenbar wirklich.“

Die üblichen Kampagnen, mit denen in Italien noch jede und jeder erledigt wird, der als Opfer lohnend erscheint, haben jedenfalls wenig Aufregendes zu Tage gefördert. Dass Pascale schon früher eine Schwäche für ältere Herren gehabt habe, enthüllte ein anonym bleibender Ex-Freund in „Oggi“, und eins der Bunga-Bunga-Girls, die Bulgarin Michelle Bonev, kam kürzlich mit der These ins Fernsehen – es war der sonst seriöse Sender La7 – Berlusconis Neue sei Lesbe.

So wurde sie, die Berlusconi in Interviews stets nur „il Presidente“ nennt, die „späte Königin am Hofe des Cavaliere“, wie Filippo Ceccarelli es ausdrückte, eine der Edelfedern von „La Repubblica“. Ceccarelli machte sich im Blatt Gedanken über die Poesie jenes Fotos von Pascale am Fenster des Palazzo Grazioli im August, kurz vor dem letztinstanzlichen Urteil gegen Berlusconi, als alle Kameras auf eben jene Fenster gerichtet waren: Sie beobachtet zurück, von einer Fensterecke aus. Ernst, etwas elegisch, 60er-Retrolook, Audrey-Hepburn-Kleid und strenge Frisur mit Bananenrolle. Die letzte Favoritin alter Potentaten, schrieb Ceccarelli, komme eben oft „zu spät“.

Wer weiß? Es gibt starke Hinweise darauf, dass ihr wie vielen Favoritinnen der Geschichte die eine Rolle nicht genügt. „Familie, der Wille des Präsidenten und die Politik“ seien die wichtigsten Dinge in ihrem Leben, ließ Pascale einmal in einem Interview wissen. Als sicher gilt inzwischen, dass sie sich, neben der Küche des „Präsidenten“, gerade wieder um Letzteres kümmert. Sie trifft sich regelmäßig mit Frauen aus Berlusconis Mitte-Rechts-Partei, und an den Abenden der „Duduistinnen“, wie die Machos der Partei sie nennen, soll es keineswegs nur um Hundefutter und fashionable Drinks gehen. Der „Pascale-Flügel“, wie andere ihn mit mehr Respekt getauft haben, bereitet sich offensichtlich gerade auf Politik nach Berlusconi im Sinne Berlusconis vor. Dafür spricht sein Personal, alles Fans des Cavaliere.

Und eben alles Frauen. Mit dem „Frauenhass“ der Partei, von dem Pascale schon öffentlich sprach, hat sie schließlich ihre unguten Erfahrungen gemacht. Was die Damen aushecken, darüber dringt nichts nach außen. Vielleicht verfolgen sie einen Traum. Als die Journalistin Sannino sie vor Jahren über ihren politischen Ehrgeiz befragte – „Ihre Träume scheinen ja zu fliegen“ – sagte Pascale: „Mag sein. Aber das Träumen hat mir im Leben bisher geholfen.“

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