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Panorama: Berühmt – für einen guten Zweck

Der Schauspieler Karlheinz Böhm hilft seit mehr als 20 Jahren Menschen in Afrika. Heute wird er 75

Als die beiden Kinder den Land Cruiser sehen, fangen sie an zu laufen. Sie versuchen Schritt zu halten mit dem schweren Geländewagen, der sich seinen Weg über die staubige Piste bahnt. „Karli, Karli", rufen die zwei. Dabei können sie den kleinen „Menschen-für-Menschen“-Aufkleber auf der Beifahrertür unmöglich gesehen haben – dafür sind sie viel zu weit weg. Doch es ist nicht Karlheinz Böhm, der Gründer der Hilfsorganisation, der dort am Steuer sitzt. Der Land Cruiser bringt nur ein paar Journalisten in diese entlegene Region im Osten Äthiopiens, wo vor gut 21 Jahren alles begann.

Bei „Wetten dass …? war der Schauspieler und Regisseur Böhm 1981 mit einer außergewöhnlichen Wette aufgetreten: Er glaube, sagte er damals, dass nicht jeder dritte Zuschauer der Sendung bereit sei, auch nur eine Mark, einen Franken oder sieben Schilling zur Bekämpfung des Hungers in der Sahel-Zone zu spenden. 1,4 Millionen Mark kamen zusammen. Mit dem Geld fuhr er nach Äthiopien und ließ in Äthiopien unweit von Babile vier Musterdörfer für gut 2000 Nomaden bauen, die durch die Dürre alles verloren hatten und in der Nähe des Ortes lebten. Böhm machte die Nomaden sesshaft und musste dafür viel Prügel einstecken. Er unterstütze die Umsiedlungspolitik des sozialistischen Mengistu-Regimes, warfen Kritiker ihm vor. Der Schauspieler ließ sich nicht beirren. Er verschaffte den Menschen eine neue Existenz und sich ein neues Leben. Aus Kaiser Franz-Joseph – dem Mann an Romy Schneiders Seite in der Sissi-Trilogie – wurde Ato Karl – Vater Karl – der Entwicklungshelfer. Auch heute fährt Böhm drei- bis viermal pro Jahr für mehrere Wochen nach Äthiopien. Auf einem Hügel mit Eukalyptusbäumen am Rande der vier Musterdörfer steht ein kleines Haus, wo er übernachtet, wenn er in der Region ist. Von hier aus startet er dann seine Touren in die Projektgebiete. Den Geländewagen steuert er stets selbst – und das mit hoher Geschwindigkeit, wie Mitarbeiter berichten. Auch wenn sein Tross zu Fuß unterwegs ist, stapft Böhm meist voran, in der Hand den Wanderstock, den ihm ein äthiopischer Bauer vor langer Zeit schenkte.

In vielen der Schulen oder Krankenhäuser, die „Menschen für Menschen“ bisher gebaut hat, hängt heute Böhms Foto. Die scharfen Längsfalten über der Nasenwurzel lassen das Gesicht unter dem linksgescheitelten Haar immer etwas streng erscheinen. Manchmal wirkt es fast, als sei das ganze Elend Äthiopiens in diese Züge eingemeißelt. Von dem jungen integren Helden der 50er Jahre ist auf den Bildern nur noch wenig zu sehen. Mit Sissi gelang Böhm damals der große Durchbruch. Er weiß, dass er als Schauspieler heute immer noch auf den Charakter des Franz-Joseph reduziert wird. Er weiß aber auch, dass seine Äthiopienhilfe ohne die Popularität, die ihm gerade diese Rolle einbrachte, bis Ende 2001 nicht 183 Millionen Euro an Spenden gesammelt hätte. Dabei verlief der Weg von Sissi zum Engagement in Afrika alles andere als geradlinig. Die Rolle als Franz-Joseph brachte Böhm den gewünschten Erfolg, sie stand aber auch immer seinem Traum im Weg, ein großer Hollywood-Schauspieler zu werden. Mit „Augen der Angst", einem in England gedrehten Streifen, den die „New York Times" heute in ihren Top Ten der Filmgeschichte listet, hoffte der in Darmstadt geborene Österreicher, endlich sein Image aus den Sissi-Filmen abschütteln zu können. „Meine beste Rolle", sagt Böhm heute, doch in Deutschland floppte der Film. Das Publikum wollte sein Idol nicht als psychopathischen Mörder sehen, der Frauen umbringt und vorher ihre Todesangst filmt. Enttäuscht kehrte der Schauspieler dem Film den Rücken, er spielte wieder Theater und führte Regie. Rainer Werner Fassbinder war es, der ihn dann Mitte der 70er Jahre für drei Filme auf die Leinwand zurückholte.

Der Schauspieler begann damals schon, die Bühne zu wechseln. Er wollte weiter Menschen für sich gewinnen und begeistern, aber erst in Äthiopien fand er endlich die Rolle seines Lebens. Und diese füllt er so aus, wie er es für richtig hält, einen Regisseur über sich akzeptiert Böhm schon lange nicht mehr. Bei jedem Brunnen, der gebohrt werden soll, bei jeder Schule, die geplant wird, will er mitreden. Ein Stückchen Eitelkeit hat er mitgenommen aus seinem früheren Leben als Schauspieler. Wenn der Chef seinen Besuch in Projektgebieten ankündigt, versetzt er die Mitarbeiter häufig in helle Aufregung. Alles muss perfekt sein, alles muss funktionieren, besser heute als morgen. „Warum geht die Pumpe nicht, wo sind die Ersatzteile, warum kommen sie erst so spät?" Böhm kann laut werden, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen.

Böhms vierte, 36 Jahre jüngere Frau Almaz, eine Rinderzucht-Expertin, mit der er die beiden Kinder Nikolas und Aida hat, wird sein Lebenswerk später einmal fortsetzen. „Wie schön wäre es", sagt er, „wenn eines Tages die Menschen zu mir kämen und sagten: ,Vielen Dank, Karl. Wir brauchen euch nicht mehr’." Heute wird Karlheinz Böhm 75 Jahre alt.

Frank Specht

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