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Panorama: Beten kann jeder – aber gewinnen nicht

Gott erhört nicht jeden Wunsch, sagt die Kirche

Ohne Bekreuzigung geht bei Ronaldinho gar nichts. Der beste Spieler der Welt, Spielmacher beim Champions-LeagueSieger FC Barcelona und Hoffnung der brasilianischen Nationalmannschaft, hofft vor jedem Spiel auf Gottes persönlichen Beistand. Ob er da auch für den Sieg der eigenen Mannschaft bittet und um schwache Gegner fleht, bleibt sein Geheimnis. Diego Maradona berief sich vor 20 Jahren angesichts eines spielentscheidenden Handspiels immerhin darauf, es sei eigentlich die „Hand Gottes“ gewesen, die sein Team ins WM-Finale geführt habe. Wie aber hält es Gott mit dem Fußball? Darf man für den Sieg beten? Hilft es? Ja und Nein, sagt die Kirche.

Doch zunächst einmal: Der Fußballgott wohnt in Japan. Er heißt Seidaimyojin und ist der Gott der Ballspiele. Shintoistische Fußballfans in Japan haben ihm einen kleinen Schrein errichtet. In Afrika, wo die traditionellen Naturreligionen immer noch viele Anhänger haben, versucht man die Gegner durch Gegenzauber außer Gefecht zu setzen: Kolanüsse werden mit Kräutern auf den Boden gelegt und mit Palmschnaps vermischt. Mexikanische Fußballfans beten mit Segen der Amtskirche regelmäßig zur Jungfrau von Guadaloupe, bevor das Nationalteam zum Spiel antritt. In Spanien schwören viele auf San Pankratius. Spielt die Mannschaft schlecht, sperrt man ihn zur Strafe in den Kühlschrank. „Die Begeisterung der Fußballfans ist etwas zutiefst Christliches“, sagt auch Hans Mörtter, evangelischer Pfarrer an der Kölner Lutherkirche, „Sie zeigt das Gute im Menschen.“ Und damit man dieses Gute auch richtig ansehen kann, hat Mörtter in seiner Kirche vor dem Altar eine Großleinwand aufgestellt, auf der das heutige WM-Eröffnungsspiel per Beamer übertragen wird. „Ein Stadion ist zwar keine Kirche und eine Kirche kein Stadion“, sagt auch der evangelische Pfarrer Wolfgang Weinrich aus Darmstadt, „doch an beiden Orten geht es um einen bestimmten Geist, um Begeisterung“. Damit treffen sich die Protestanten auch mit dem Spielführer der anderen christlichen Kirche. Denn kein Geringerer als Papst Benedikt XVI. – wie man weiß, schon immer sehr fußballinteressiert – hat das Spiel ganz euphorisch beschrieben: „Fußball ist das Heraustreten aus dem versklavten Ernst des Alltags in den freien Ernst dessen, was nicht sein muss und deshalb so schön ist.“ In diesem Sinne wäre „das Spiel also eine Art versuchte Heimkehr ins Paradies“.

Wofür darf man beim Fußball beten? Im Prinzip für alles. „Dass Ballacks Wade wieder gesund wird, ist ja auch eine Frage der Nächstenliebe“, so Mörtter, „natürlich darf man Gott dafür bitten“. Aber auch andere Wünsche wie die um einen Sieg des deutschen Teams seien nicht verboten. Gebete hat die Nationalmannschaft Weinrichs Meinung nach bitter nötig: „Denn wie die ohne Hilfe Weltmeister werden wollen, weiß ich wirklich nicht.“ Die Frage sei aber, „ob solche Bitten erhört werden“. Das ist der entscheidende Punkt: Gebete, dass Ballack gesund wird, haben aus kirchlicher Sicht große Chancen, wenn Ballack gläubig ist. Gebete, dass der Gegner schlecht spielt oder die eigene Mannschaft gewinnt, haben dagegen eher geringe Chancen, erhört zu werden.

Der Frankfurter Kapuzinermönch Bruder Paulus vertraut ganz sicher darauf, dass sein Gott auch ein Fußballgott ist: Auf seiner Internetseite (www.bruderpaulus.de/) hat er die Aktion „Play & Pray“ ins Leben gerufen. Dort kann man Gebete zum Fußballspiel einsenden.

Die wenigsten Probleme mit der Verbindung von Patriotismus, Fußballfantum und Glaube hat die anglikanische „Church of England“. Auf ihrer Website (www.cofe.anglican.org ) hat die Kirche gleich zwei „Gebete für den World Cup“ veröffentlicht: „Wir predigen für alle, die bei der Weltmeisterschaft dabei sind“, heißt es da, „besonders für die, die unsere Nation repräsentieren.“

Rüdiger Suchsland

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