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Imkerin Hilde Smits mit ihren Bienen auf dem Dach des Musikinstrumentenmuseums.

© Wolfgang Friedrichowitz

Bienenzucht: Imker auf dem Dach

In Großstädten wie New York und Berlin geht es Bienen viel besser als auf dem Land – das ruft Züchter auf den Plan.

Der Berliner Dom, das Haus der Kulturen der Welt, das Museum für Naturkunde – wer rechnet damit, dass dort Honig hergestellt wird? Von hier und auch von anderen Gebäuden schwirren Honigbienen durch die Stadt. Die Initiative „Berlin summt“ hat sie dort angesiedelt. Zusätzlich gibt es in Berlin zahlreiche weitere Hobbyimker – ein Trend, der in Städten wie New York, Zürich oder Paris ebenso um sich greift. In New York schätzt Andrew Coté die Anzahl der Bienenbesitzer auf etwa 200. Der New Yorker imkert selbst schon in der dritten Generation und hat dort schon zwei Imkervereinigungen gegründet.

Ob die Trendwiege in Berlin oder New York liegt, ist nicht ganz ausgemacht. Nach Angaben von Barbara Löwer, Geschäftsführerin des Deutschen Imkerbundes (DIB), soll es schon in der Weimarer Republik Bienenvölker auf dem Abgeordnetenhaus in Berlin gegeben haben.

Dort stehen auch heute wieder Bienenkästen. Sie sind ebenfalls von dem Projekt „Berlin summt“. Ein anderer zentraler Standort der Initiative ist das Musikinstrumenten-Museum am Kulturforum. Dort kümmert sich Imkerin Hilde Smits um ihr erstes Bienenvolk. Das Zuhause ist ein knapp hüfthoher Holzkasten auf dem Dach des Museums. In dem Kasten hängen Holzrähmchen, in die die Bienen ihre Waben bauen. Einmal pro Woche besucht Hilde Smits ihre Schützlinge. Sie nimmt den Deckel von der Kiste ab und kontrolliert die Rähmchen. Dabei überprüft sie den Stand der Honigproduktion. Das heißt, sie schaut nach, wie viele Waben schon verschlossen sind. Sind in einem Rahmen alle zu, wird er mitgenommen und der Honig rausgeschleudert, erklärt Imker Wolfgang Friedrichowitz. Der Erste Vorsitzende des Imkervereins Steglitz betreut Smits in ihrem ersten Jahr als Imkerin. Die Idee, selbst Bienen zu halten, kam Smits letztes Jahr auf dem Langen Tag der Stadtnatur. Ihr neues Hobby ist mit relativ geringem Zeitaufwand verbunden. Der wöchentliche Besuch lasse sich gut mit ihrem Beruf vereinbaren.

Die Bienen machen sich vom Museum aus auf die Suche nach Pollen in der Nachbarschaft. Das Nahrungsangebot für Bienen ist in Städten reichhaltiger als auf dem Land, erklärt der Initiator von „Berlin summt“, Cornelius Hemmer. Die vielen Blumen auf Dachgärten, Balkonen und in Parkanlagen bieten den Bienen viel und unterschiedliche Nahrung. Außerdem blühen die Pflanzen zu unterschiedlichen Zeiten, so dass die Bienen von März bis September ausschwärmen können. Auf dem Land hingegen sei genau das nicht der Fall, sagt Hemmer. Durch landwirtschaftliche Monokulturen finden Bienen nur eine Sorte von Pollen und nach der Ernte gar nichts mehr, kritisiert Hemmer. Verstärkt werde das Problem durch fehlende Grünstreifen und Hecken an den Ackerrändern, da Landwirte oftmals ihre Felder bis an die Straße bewirtschaften. Neben den dreizehn Imkern, die an „Berlin summt“ teilnehmen, sind rund 600 Imker im Imkerverband Berlin organisiert. Weitere 130 Mitglieder hat der Imkerverein Steglitz. Imkern ist gerade unter jungen Leuten und Frauen zur Zeit ein Trend, sagt Petra Friedrich vom Deutschen Imkerbund. Dieser Trend beschränkt sich nicht auf Berlin. In Hamburg und München sind die Bienenfreunde ebenso aktiv. Jeweils 250 Imker vermeldet das „Deutsche Bienen-Journal“ für die beiden Städte. In Zürich sind laut dem Verein Zürcher Bienenfreunde etwa 50 Imker aktiv. Wie Rosemarie Füchslin sagt, gebe es durchaus mehr Interessenten, es sei aber inzwischen etwas schwierig geworden, in der Stadt noch geeigneten Platz für die Bienen zu finden. Die Stadtimkerei ist kein ganz neues Phänomen. Barbara Löwer, Geschäftsführerin des Deutschen Imkerbundes (DIB), weist darauf hin, dass es schon früher Imker in der Stadt gab. Vermutlich habe die Stadtimkerei mit der industriellen Revolution begonnen, als immer mehr Leute vom Land in die Stadt zogen – mit ihren Haustieren.

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Über den Dächern von New York: Ein Imker in Lower Manhattan.
Über den Dächern von New York: Ein Imker in Lower Manhattan.

© Imago

Die Imkerei können Stadtbewohner laut Hemmer auch unterstützen, ohne sich gleich einen Bienenstock anzuschaffen. Balkon- und Gartenbesitzer würden den Pollensammlern mit dem Kauf der richtigen Pflanzen helfen. Beispielsweise indem sie sich für einheimische Gewächse entscheiden, an die die Bienen angepasst sind. Dazu gehören Krokusse, Narzissen und Obstbäume. Von fremden Arten wie Tagetes könnten Bienen dagegen keine Pollen sammeln.

Nachdem Smits die Honigwaben in ihrem Bienenstock kontrolliert hat, sind die eine Etage tiefer liegenden Brutwaben dran. Smits kontrolliert sie auf Weiselzellen. Das sind Brutzellen, in denen neue Königinnen heranwachsen. Sind solche Zellen vorhanden, werden sie entfernt oder es wird damit ein weiteres Volk gegründet. Letzteres hat die Jungimkerin im Juni gemacht. Dazu setzt sie den Rahmen mit der Königinnenzelle sowie zwei Rahmen mit Brutzellen in einen neuen Kasten. Laut Friedrichowitz muss das neue Bienenvolk allerdings erst wachsen und wird erst nächstes Jahr Honig produzieren. Hätte Smits die Königinnen in dem alten Stock schlüpfen lassen, würden die selbst versuchen, ein neues Volk zu gründen, erklärt Friedrichowitz. Dann schwärmt die neue Königin mit einem Teil des alten Volkes aus und sucht sich eine neue Bleibe. In solchen Fällen wird der Imker gerufen. Er muss die frei schwärmenden Völker einfangen und in einen Kasten setzen.

Das ist nicht so einfach. Manchmal verschwinden die Völker. Ein Imker in Zürich berichtete, ihm seien die Bienen plötzlich fortgeflogen. Er suchte sie vergeblich. Er bat andere Imker, ihm bei der Suche zu helfen. Es half nichts. Sie waren weg.

Neben dem größeren Nahrungsangebot sieht Hemmer einen weiteren Vorteil in der Stadtimkerei. In der Stadt würden kaum Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Im Gegensatz zum Land, wo viele Bauern ihre Ernten vor Schädlingen schützen. Durch die bienenunfreundliche Landwirtschaft – Monokulturen und Pflanzenschutzmittel – entsteht laut Hemmer ein Paradox: „Man hält Bienen besser in der Stadt als auf dem Land, wo die meisten Leute sie eigentlich vermuten.“

Die Bienen scheinen zwar in Städten besser aufgehoben zu sein. Auch dort haben sie aber Ansprüche an ihren Standort. Hemmer beschreibt das ideale Klima für die Pollensammler: „Sie mögen weder Zugluft noch pralle Sonne auf schwarzer Dachpappe.“ Außerdem seien sie empfindlich gegenüber lauten Geräuschen. Bienen können zwar nicht hören, nehmen aber Vibrationen wahr.

Ein anderes Problem sind Nachbarn. Zwar greifen die Bienen eigentlich niemanden an, trotzdem fühlen sich Anwohner oftmals gestört, wenn vom Nachbarbalkon aus Bienen ausschwärmen.

Imker Friedrichowitz schätzt, dass er jährlich 100 bis 200 Mal gestochen wird. Ihm macht das nichts aus. Hilde Smits hat mehr Glück. Sie wurde noch gar nicht gestochen.

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