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Panorama: Bierbrauen mit Gottvertrauen

In dem bayerischen Örtchen Sachsenkamm gilt das Maßkrug-Stemmen noch als Gottes-DienstVON ROLF LINKENHEILEs gibt sie noch, die urbayerische Art, in der sich Frömmigkeit, wirtschaftliches Streben und Gaudi trefflich vermischen.Zu den frommen Bräuchen zählt die Verehrung des heiligen Josef, der auch als der "Nährvater Christi" bezeichnet wird.

In dem bayerischen Örtchen Sachsenkamm gilt das Maßkrug-Stemmen noch als Gottes-DienstVON ROLF LINKENHEILEs gibt sie noch, die urbayerische Art, in der sich Frömmigkeit, wirtschaftliches Streben und Gaudi trefflich vermischen.Zu den frommen Bräuchen zählt die Verehrung des heiligen Josef, der auch als der "Nährvater Christi" bezeichnet wird.Weil in Bayern das Frühjahrsstarkbier als besonders kräftigendes Nahrungsmittel gilt, reift in den kleinen Landbrauereien ein hochprozentiges Bockbier, das darauf wartet, am 19.März, dem Ehrentag des Heiligen, angestochen zu werden."Josefi" als Feiertag aller, die sich Sepp, Seppi, Josefa oder Josefine nennen, ist aber leider von der CSU, 1968 - nach 347 Jahren - abgeschafft worden.Davon läßt sich der kleine Ort Sachsenkam auf halbem Weg von Holzkirchen nach Bad Tölz jedoch nicht beirren.1924, als Not über die Gegend hereingebrochen war und der Bierabsatz sank, gründeten einige Bauern unter der Führung des Ortspfarrers eine Brauereigenossenschaft.Sie widersetzte sich über Jahrzehnte hinweg allen begierigen Einverleibungsversuchen größerer Brauereien.Die Genossen erhöhten ihre Einlagen und warben neue Mitglieder.Für den heutigen Pfarrer sind sie als Genossen Sozialisten, Kapitalisten und Idealisten in einem.Sie bringen ihr Geld ein, wohlwissend, daß kein Gewinn zu erwarten ist.Aber sie vereinen sich pflichtschuldigst in gottgefälligen Tun: Sie trinken ihr eigenes Bier zum Wohle des Ganzen.Am Vorabend von Josefi beginnt die Generalversammlung der etwas anderen Art stets mit einem Gottesdienst."Wir ehren den heiligen Josef, indem wir unseren Josefi-Bock trinken", predigt der Pfarrer.In der Kirche kommt maßvoller Humor auf.Noch immer steckt die Brauerei in den roten Zahlen.Doch als der Geschäftsführer im Festzelt einen Jahresgewinn von 42 000 DM verkündet und der Bürgermeister im Namen des Aufsichtsrats feststellt, daß in ganz Deutschland der Bierabsatz um 1,5 Prozent zurückgegangen ist, die wackeren Trinker vom Reutberg und ihre gottesfürchtigen Anhänger den Ausstoß aber als einzige im Land um 1,5 Prozent gesteigert haben, geht die Tagesordnung unter in einem einzigen Prost mit klirrenden Maßkrügen.Nur einer aus der Menge ruft nach fünf Mark Dividende."Dividende?" fragt der Vorsitzende."Ihr könnt eure Dividende vom letzten Jahr doch hier herinnen versaufen!" Sie besteht aus zwei Maß Bier und einem Schweinsbraten.Die Blasmusik spielt den bayerischen Defiliermarsch.Beim Verlassen des Zeltes vermeinten einige, den heiligen Josef vom Himmel herab blinzeln zu sehen.

ROLF LINKENHEIL

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