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Panorama: Botschafter auf Jobsuche

Die Nachricht von seiner Abberufung erreichte in ihm Urlaub auf Mauritius. Ende April muß der Schweizer Botschafter Berlin den Rücken kehren.

Die Nachricht von seiner Abberufung erreichte in ihm Urlaub auf Mauritius. Ende April muß der Schweizer Botschafter Berlin den Rücken kehren. Der Berliner Gesellschaft, die sich mit den unkonventionellen Auftritten von Borer und seiner Ehefrau Shawne Fielding glänzend unterhalten hatte, dürfte der Abschied ebenso schwer fallen wie dem Ehepaar selbst.

Der 44-jährige Karrierediplomat war am Mittwoch nach anhaltenden Berichten über eine angebliche Affäre mit einer Berlinerin abberufen worden. Er und seine Frau hatten schon in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt und waren desdhalb vom schweizer Außenministerium mehrmals zur Zurückhaltung ermahnt worden. Die Berichte über die angebliche Affäre waren wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Gegenüber der westschweizer Tagszeitung "Le Matin" äußerte sich der Diplomat am Donnerstag erstmals zu seiner Abberufung. Er habe die Interessen der Schweiz in der Hauptstadt stets mit all seinen Kräften vertreten und seinen Posten als Botschafter sehr gern ausgeübt. Seine Versetzung akzeptiere er mit Bedauern.

Die Nachricht von Borers Abberufung löste in der Schweiz ein riesiges Medienecho aus. Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Kommentatoren hält die Versetzung für gerechtfertigt. Die Schweizer Tageszeitung "Blick", die gemeinsam mit dem Schwesterblatt "SonntagsBlick" den Stein ins Rollen gebracht hatte, titelte: "Die Party ist aus." Botschafter Borer sei über sich selbst gestolpert. "Führen wir die Staatsaffäre Borer auf ihren wahren Kern zurück. Da hat ein Angestellter zwei Mal die Ermahnungen seines Chefs, Außenminister Deiss, in den Wind geschlagen, einen schärferen Trennstrich zwischen Privat- und Berufsleben zu ziehen." Und die "Berner Zeitung" bestätigt: "Zur Intelligenz gehört auch die passende Selbsteinschätzung. Die war Thomas Borer nicht gegeben. Publicitygeil hat er sich weit aus dem Fenster gelehnt - jetzt ist er rausgefallen."

Dagegen erhebt die "Basler Zeitung" schwere Vorwürfe gegen den Verlag der Zeitung "Blick". Es habe sich um eine "gut geplante, nach allen Regeln der Boulevard-Kunst inszenierte Kampagne" gehandelt, die zum Ziel hatte, Borer abzuschießen.

Der "TagesAnzeiger" aus Zürich schreibt: "Außenminister Deiss hat rasch entschieden. Weil Borer seine Arbeit nicht mehr ungestört machen könne, müsse er Berlin verlassen. Das wird in Berlin bedauert und dürfte viele Vorurteile über die Schweiz schlagartig reaktivieren."

Genau dies befürchtet auch die "Neue Zürcher Zeitung": "Vor allem wird ein Experiment mit neuen Formen der Diplomatie vorzeitig abgebrochen." Sie nennt den Vorgang peinlich und zeigt sich überzeugt davon, dass es, mit Ausnahme des Boulevardblattes "Blick", nur Verlierer gebe: Nicht nur Borers Karriere sei zu Ende, auch die schweizer Außenpolitik habe sich blamiert, da sie den Eindruck erwecke, sie habe sich vom Boulevardjournalismus des eigenen Landes zur Abberufung Borers treiben lassen.

Schließlich war die spezielle Art der Diplomatie, die Borer und seine Ehefrau so glamourös betrieben, nicht zuletzt auch Werbung für die Schweiz. Denn Borer-Fielding konterkarierte immer wieder das gängige und von den Schweizern ungeliebte Vorurteil, ihr Land sei humorlos, konservativ und spießig. Die "Staatsaffäre Borer" hat auf diese Weise auch eine Diskussion über das eigene Selbstverständnis und den Politikstil der Schweiz losgetreten.

Der Schweizer Außenminister ließ bislang offen, wer Nachfolger von Borer in Berlin wird. Übergangsweise wird der Diplomat Emanuel Jenni als Geschäftsträger fungieren. Das Ehepaar Borer-Fielding hält sich unterdessen weiterhin im Urlaub auf Mauritius auf. Borer sagte dem "Matin", er wisse nicht, ob er in der Verwaltung bleibe. Er könne sich auch einen Posten in der Privatwirtschaft vorstellen.

mt

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