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Panorama: Braunbär im Anmarsch

Das Tier hält sich im Grenzgebiet zu Bayern auf

Häselgehr/Reutte - „Angst hatten wir keine“, sagen Martin und Monika Wehrmeister aus Häselgehr im Lechtal über ihre erste Begegnung mit einem Braunbären. Das wilde Tier streift im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet südlich von Füssen herum und kommt dem Freistaat immer näher. Als ihr Schäferhund am Dienstagabend um etwa 22 Uhr 30 „seltsame Geräusche“ macht und das Ehepaar zum Schlafzimmerfenster hinausblickt, sieht es das etwa zwei Meter große Tier stehen. „Erst dachten wir, uns ist eine Kuh ausgekommen“, lacht die 67-Jährige. Doch schnell war klar, dass es sich tatsächlich um einen Bären handelte. „Das Tier war nur 15 Meter von unserer Tür entfernt“, erzählen die Wehrmeisters.

Als sich der Bär von dem Grundstück entfernt, folgt ihm Martin Wehrmeister mit dem Auto auf einem Feldweg, bis das Tier im Wald verschwindet. Im Scheinwerferlicht habe er es „ganz nah und ganz deutlich gesehen, die Ohren, die Augen, das dunkle Fell“. Erst am folgenden Tag wird dem Ehepaar klar, worauf es der Bär abgesehen hatte: Die Bienenstöcke hinter dem Haus sind aufgebrochen, alle Bienen sind tot. Dennoch empfindet das Ehepaar keine Wut: „Wir haben noch nie einen Bären so nahe gesehen, das war eine ganz neue Erfahrung.“

Auch dem Almwirt der „Gehrenalpe“ in Wängle, Martin Sprenger, hat der Bär einen Besuch abgestattet. „Am Donnerstag ist meine Frau am Morgen mit einer Tasse Kaffee auf die Terrasse gegangen“, erzählt Sprenger. „Plötzlich kam sie zurück und sagte, ungefähr 25 Meter von unserer Hütte entfernt stehe ein Bär.“ Zuerst habe er an einen Scherz gedacht, doch das Tier stand auf der Wiese vor der Hütte und schaute die beiden direkt an. Dann drehte der Bär sich um und verschwand im Wald. Das sei schon „faszinierend“ gewesen.

„Sehr beeindruckt“ von seiner ersten Bären-Begegnung ist auch Stefan Knittl aus Holzgau. Am Mittwochabend habe er bei sich zu Hause am Computer gesessen und gegen 20 Uhr 30 zum Fenster rausgeschaut. „Da stand dann etwa 20 Meter entfernt der Bär“, erzählt er. Zusammen mit seinem Freund ging er vor das Haus und beobachtete das Tier eine ganze Weile. Der Bär habe sie zwar gesehen, sich aber von den Menschen „völlig unbeeindruckt“ gezeigt. Nach einiger Zeit spazierte er gemütlich quer über die Bundesstraße, dann über ein Feld und eine große Wiese und verschwand im Wald.

Auf solche Schilderungen aus der Bevölkerung ist Toni Vorauer angewiesen. Seit Dienstag ist er für den World Wide Fund for Nature (WWF) im Lechtal als Bären-Anwalt unterwegs. „Wenn sich ein Bär einer Siedlung nähert, bin ich dafür da, dass die Konflikte gelöst werden“, sagt Vorauer, der fast rund um die Uhr im Einsatz ist, sichtlich gestresst. Seit Tagen gehe er jedem Hinweis nach. Am Wochenende will er eine Kastenfalle aufstellen, um das Tier einzufangen und mit einem Ortungssender zu versehen. „Für die Falle und die Verwendung von Narkosegewehren müssen überall extra Genehmigungen eingeholt werden“, berichtet Vorauer. Ein Amtstierarzt soll dann zusammen mit Vorauer das gefangene Tier betäuben. Als Köder dienen Schlachtabfälle und Bienenhonig. „Damit das Aas anständig riecht und den Bären anlockt, legen wir es mehrere Stunden in die Sonne.“

„Es wäre leichter, wenn das Tier standorttreuer wäre“, sagt der Bären-Anwalt. Seit Donnerstag gebe es keine neue Spur. Daher war am Samstag noch unklar, wo die Falle aufgebaut werden sollte. Schließlich solle kein Mensch gefährdet werden, sagt er. Der Bezirkshauptmann von Reutte, Dietmar Schennach, vertraut voll und ganz auf den Bären-Experten. „Wir haben den WWF mit der Bärensuche beauftragt“, sagt er. Der Wirbel um das Tier amüsiere die Bevölkerung. „Wir haben in Musau das Gasthaus ,Zur Bärenfalle’“, erzählt der Bezirkshauptmann. Dort lade man die Bärensucher bestimmt gerne auf eine Brotzeit ein. Auch im benachbarten Bayern ist die Bevölkerung ziemlich gelassen. Umweltminister Werner Schnappauf sagte sogar: „Der Braunbär ist in Bayern willkommen.“ Was ja bekanntlich nicht für alle Einwanderer gilt.

M. Gotthartsleitner-Wagner (ddp)

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