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"Bravo": Vertraulichkeit als Geheimrezept

50 Jahre nach ihrer Gründung ist Aufklärung immer noch das Markenzeichen der Jugendzeitschrift "Bravo".

Hamburg - Die Beratung in Fragen von Sex und Erotik ist nach 50 Jahren "Bravo" immer noch eines der wichtigsten Standbeine von Deutschlands größter Jugendzeitschrift. "Sexuelle Aufklärung ist ein Markenzeichen der 'Bravo'", sagte der emeritierte Pädagogikprofessor Joachim H. Knoll, der unter anderem in Bochum und Hamburg lehrte und mehrere Bücher über die "Bravo" mitherausgegeben hat. Das Angebot des Dr.-Sommer-Teams finde bei Jugendlichen weiterhin großen Anklang, weil sie hier anonym nach allem fragen könnten, was sie bewegt.

Vertraulichkeit war Knoll zufolge "von vorneherein das Geheimrezept der 'Bravo'". Die Zeitschrift, die erstmals am 26. August 1956 erschien, setze da an, wo die Aufklärung durch Eltern oder Schule aus Scham häufig ende, erklärte der Wissenschaftler. Mit ihrer punktuellen Aufklärung, die sich zumeist um den eigenen Körper der Jugendlichen und Partnerschaftsprobleme drehe, könne die "Bravo" den Aufklärungsunterricht in der Schule und das vertrauensvolle Gespräch mit den Eltern nicht ersetzen. Sie schließe jedoch eine Lücke: "'Bravo' hat sich zum Anwalt jugendlicher Fragen gemacht, die sonst von der Öffentlichkeit abgebügelt wurden", urteilte Knoll. Die 1969 eingeführte Rubrik von Dr. Sommer habe dazu beigetragen, dass sexuelle Spielarten wie Homosexualität und Selbstbefriedigung heute nicht mehr als perverse Praktiken gelten würden.

Die "Bravo" im Wandel

Aber die "Bravo" hat die gesellschaftliche Debatte über das Thema Sexualität und Erotik nicht nur beeinflusst, sondern unterlag auch selbst einem Wandel, sagte Knoll. Seien die ersten Aufklärungsversuche mit dem 1962 eingeführten "Knigge für Verliebte" noch etwas bieder daher gekommen, habe der Jugendtherapeut Martin Goldstein, der unter dem Synonym Dr. Sommer von 1969 bis 1984 in der "Bravo" Fragen zu "Liebe, Sex und Zärtlichkeit" beantwortete, in den 70er Jahren Sexualpraktiken oft sehr funktional und mechanisch abgehandelt. Im Laufe der Zeit habe die "Bravo" dann gemerkt, dass den Jugendlichen partnerschaftliche Fragen zunehmend wichtig wurden.

Das heute sechsköpfige Dr. Sommer-Team aus Pädagogen und Psychologen steht in Knolls Augen für eine Aufklärung, "bei der ehrliche Fragen ehrlich beantwortet werden". Das Team versuche immer, "der Jugend auf der Spur zu sein". Die Sorgen unterschiedlicher Generationen ähnelten sich allerdings. Alle Jahre wieder beantworte das Dr.-Sommer-Team Fragen wie "Kann ich von einem Zungenkuss schwanger werden?" oder "Was ist Petting?". Knoll erklärte dies damit, dass Jugendliche die "Bravo" im Schnitt nur zwei Jahre lesen und immer wieder neue Lesergeneration nachrücken, deren Probleme mit Erotik und Sexualität nicht wesentlich anders seien. "Es ist wahrscheinlich eine Aufgabe, die jeder Generation neu gestellt wird". (tso/AFP)

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