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Panorama: Brief-Verkehr: Ludwigs Lust

Als Gerücht ist es ein alter Hut: Märchenkönig Ludwig II. war schwul.

Als Gerücht ist es ein alter Hut: Märchenkönig Ludwig II. war schwul. Jetzt aber liefert der Aschaffenburger Autor Robert Holzschuh den Beweis. Der Handschriftensammler hat ein Buch veröffentlicht, in dem Majestät selbst die homoerotischen Neigungen bestätigt, die ihm schon immer nachgesagt wurden.

Holzschuh veröffentlicht 27 bisher unbekannte Briefe von Ludwig an den Unteroffizier Karl Hesselschwerdt, ein Diener und Vertrauter des Königs. Darin beauftragt der König Hesselschwerdt immer wieder, junge Männer vom Hof in die königlichen Gemächer zu führen. Die Auserwählten sind sogar mit Namen aufgeführt: Hochleitner, Hornsteiner, Winzperger, die der König aber lieber mit Kosenamen wie "Engel" oder "Schanderl" rief. Es waren einfache Lakaien, Knechte oder Kammerdiener, denen der Monarch seine Avancen machte. Nicht alle folgten allerdings seinen sexuellen Eskapaden und quittierten umgehend den Dienst am Hofe.

Auch auf seinen Reisen suchte Ludwig sich junge Geliebte. Allerdings scheint es ihm dabei nicht nur um das Eine gegangen zu sein: Ob in Paris oder in Neapel, Hesselschwerdt musste dem König "Deutsch sprechende Liebhaber" zuführen, ein Gespräch war also durchaus erwünscht.

In der Wissenschaft wurde nie wirklich an der Homosexualität des Märchenkönigs gezweifelt. Ludwig löste seine Verlobung und war nie verheiratet, außerdem hatte er, im Gegensatz zu seinem Großvater Ludwig I., keine Mätressen. "Wirkliche Beweise gab es allerdings bisher keine", so Stefan Deutinger, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Bayerische Geschichte an der Universität München. "Diese Briefe wären die ersten konkreten Hinweise". Und die sind sogar ziemlich direkt: König Ludwig beschreibt in den Briefen an seinen Vertrauten Hesselschwerdt detailliert die Genitalien, die "Kunis", seiner Gespielen, und er erbittet "also genaue Meldung" über die Beschaffenheit der jungen Männer.

Robert Holzschuh hat sich seine Quellen viel Geld kosten lassen. Für rund 180 000 Mark ersteigerte er vor gut zwei Jahren bei einer Auktion die 27 eigenhändig geschriebenen Briefe des Königs. Anhand der Briefe legt der gelernte Wirtschaftsprüfer und Steuerfachmann sein Buch mit Einzelheiten über Ludwigs sexuelle Abenteuer vor. Damit geschieht in Ludwigs 156. Geburtsjahr genau das, was dieser immer zu verhindern suchte: Um sein Geheimnis zu wahren hatte der König am Ende jeden Briefes seinem Kuppler aufgetragen: "Verbrenne dieses Blatt!". Doch Hesselschwerdt kam dem Befehl nicht nach und bewahrte die kompromittierenden Schriften auf. Jetzt bieten sie einen Einblick in das unglückliche Leben des Märchenkönigs, das mit einem Drama endete.

Denn nicht nur die Liebesabenteuer des Königs, sondern auch sein Geisteszustand zum Ende seines Lebens hin geben immer noch Rätsel auf. Nach Holzschuh allerdings weisen die Briefe keineswegs auf eine zunehmende geistige Verwirrung des Königs hin. In Ludwigs letztem Brief, sechs Wochen vor seinem mysteriösen Tod im Starnberger See, seien keinerlei Anzeichen von Umnachtung oder Irrsinn zu erkennen. Die Schrift sei "impulsiv klar", Handschriftensammler Holzschuh beschreibt sie als "gut lesbar, schön und majestätisch schwungvoll".

Der Autor des Buches geht auch auf die desolate Finanzsituation des Wittelsbachersein und ergänzt die Briefstellen mit weiteren Quellen. Sie zeigen, dass der König von seinem Hofstaat oft respektlos behandelt wurde: Ludwig, der großzügig war und einem Lustknaben namens "A. Welker" einmal 500 Mark zukommen ließ, beorderte Kundschafter nach Indien, Persien und Konstantinopel, wo sie Kredite für den bankrotten Bayernkönig auftun sollten. Doch die Beauftragten brachen erst gar nicht auf und meldeten dem König nach einiger Zeit, keinen Erfolg gehabt zu haben. Die Staatskasse war leer, und selbst an den Münchener Stammtischen spottete das Volk über das homoerotische Liebesleben des weltfernen Königs. Einsam und entmündigt beging Ludwig 1886 Selbstmord im Starnberger See.

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