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Brisbane: Erschreckend uferlos

Brisbane, die drittgrößte Stadt auf dem australischen Kontinent, war am Mittwoch so gut wie geschlossen. Der Brisbane River ist zum Feind geworden.

Die Katastrophentouristen staunen. Ein Bootssteg treibt vorbei, losgerissene Yachten, Haushaltsgegenstände, Kisten verschiedenster Form, sogar ein ganzes Restaurant und viele Gegenstände ungewisser Herkunft. Normalerweise ist der Brisbane River ein beliebter Spielplatz, der ganze Stolz der zwei Millionen Einwohner Brisbanes, und seine Ufer gelten als bevorzugte Wohngegend. Jetzt ist der Fluss zum Feind geworden. Schier unaufhaltsam schwillt er an und bedroht inzwischen Zehntausende. Das öffentliche Leben der Wirtschaftsmetropole hat er bereits fast zum Stillstand gebracht.

Brisbane, die drittgrößte Stadt auf dem australischen Kontinent, war am Mittwoch so gut wie geschlossen. In einem Stadtteil nach dem anderen wurde der Strom abgeschaltet, Büroangestellte blieben zu Hause, der öffentliche Verkehr kam zum Erliegen. Die Müllabfuhr schaffte ihre Arbeit genauso wenig wie die Post, und in den Krankenhäusern wurden nur noch Notfälle behandelt. Alle bereiteten sich auf den Höhepunkt des nassen Angriffs vor, wenn an diesem Donnerstag die Flut im Meer das Abfließen des Flusswassers behindert und der Fluss auf 5,20 Meter steigen soll. Die Behörden rechnen damit, dass fast 20 000 Häuser überflutet werden. „Land unter“ wird es dann auch in 3500 Betrieben und Geschäften heißen. Evakuierungszentren für bis zu 16 000 Menschen wurden geöffnet.

Tausende verbrachten die Nacht bei Freunden oder Verwandten in höher gelegenen Stadtteilen Brisbanes, die von dem Desaster völlig unberührt sind. Viele hatten tagsüber versucht, so viel wie möglich aus ihren Häusern zu retten, bevor das durch die Straßen strömende Wasser alles ruiniert. Mit Booten oder einfach langen Menschenketten, die bereits hüfttief im Wasser standen, wurde in Sicherheit gebracht, was den Betroffenen lieb und teuer ist.

Der Krisenstab der Landesregierung arbeitete fieberhaft rund um die Uhr. Anna Bligh, Ministerpräsidentin des betroffenen Bundesstaates Queensland, trat in regelmäßigen Abständen in Jeans und weißem Hemd vor die Kameras, um ihre Mitbürger zu informieren. Die kleine Politikerin wurde meist von sie überragenden Polizisten und Militärs flankiert, auch Australiens Premierministerin Julia Gillard stand an ihrer Seite wie mittlerweile der gesamte fünfte Kontinent. Mehrere Fernsehsender berichten ununterbrochen über die neuesten Entwicklungen, Dutzende Millionen an Spenden für die Opfer sind bereits eingegangen.

Bligh musste am Mittwoch auch bekannt geben, dass die offizielle Zahl der Todesopfer auf zwölf gestiegen ist. Es wird aber damit gerechnet, dass diese Zahl noch deutlich größer wird. Die Rettungsmannschaften können erst jetzt nach den mehreren Dutzend Menschen suchen, die seit der Springflut in der rund zweihundert Kilometer von der Küste entfernten Stadt Toowoomba und ihrer Umgebung vor zwei Tagen vermisst werden.

In der Nacht zu Mittwoch verschärfte sich die Lage noch einmal. In der Vorstadt Ipswich knapp 40 Kilometer westlich von Brisbane stand ein Drittel der Fläche unter Wasser. 3000 Häuser wurden hier überschwemmt, obwohl das Hochwasser des Flusses Bremer mehr als zwei Meter niedriger ausfiel als befürchtet.

Inzwischen hat die schier unaufhaltsame Flut auch den benachbarten Bundesstaat New South Wales erreicht. Im Norden des am stärksten besiedelten Bundeslandes Australiens mussten zwei Ortschaften mit insgesamt 850 Einwohnern komplett evakuiert werden. Mehrere Flüsse traten über die Ufer, und Schlimmeres stand noch bevor. Gleichzeitig warnten sogar die Behörden im südlich gelegen Bundesstaat Victoria vor Überschwemmungen, die von vorhergesagten schweren Regenfällen ausgelöst werden könnten. In Queensland dagegen scheint die Natur zunächst ein Einsehen zu haben. Für die nächsten Tage ist kaum Regen vorhergesagt.

Noch bevor die Katastrophe vorbei ist, steht bereits fest, dass die Kosten enorm sein werden. Ein Mitglied der Landeszentralbank erklärte am Mittwoch, dass das Bruttoinlandsprodukt um bis zu ein Prozent einbrechen könnte. Das entspräche umgerechnet fast zehn Milliarden Euro. Zu den Schäden in der Landwirtschaft, der Bergbauindustrie und im Tourismus kommen jetzt noch die Verluste der Firmen, die im Zentrum Brisbanes vermutlich für mehrere Tage ihre Angestellten nach Hause schicken mussten.

Alexander Hofmann

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