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Lächeln und ja nichts sagen, was von Bedeutung ist. Catherine Middleton und Prinz William haben bei öffentlichen Auftritten geübt, wie man den Ruf der Monarchie aufrechterhält. Williams Vater Charles wird das wohl nicht mehr lernen.

© dpa

Britische Monarchie: Der lange Schweif der Tradition

Vielen Briten ist ihre Monarchie peinlich, aber sie wollen sich nicht gänzlich von ihr lösen.

Zwei Milliarden Menschen sollen am 29. April die TV-Übertragung der „Hochzeit des Jahrzehnts“ mitverfolgen – das wären doppelt so viele wie bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking. Nur die Briten selber könnten dem großen Ereignis fernbleiben. 79 Prozent ist die Hochzeit egal, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut ICM. Verglichen mit der Hysterie um Prinzessin Diana vor 30 Jahren blieb die Presse bei Catherine Middleton auffallend zurückhaltend. So viele Menschen wie nie zuvor würden die Zeit von Ostern bis zum Maiwochenende für einen Urlaub nutzen, statt die Jungvermählten in London zu bejubeln, berichtet der Chef des Meinungsinstituts „Yougov“. Schulkinder seien mehr am Liebesleben von „wirklichen Reality-TV-Stars“ als an „Kate & Wills“ interessiert, heißt es. Landesweit wurden nur 4000 Street Parties beantragt.

In Bolton bei Manchester wurde beim silbernen Thronjubiläum 1977 noch mit 427 Street Parties die Verbundenheit von Monarchie und Volk gefeiert. Bei der Hochzeit von Charles und Diana 1981 waren es noch 100. Diesmal sind vier angemeldet. Die Westlondonerin Anne Brown bei einer Debatte, ob ihr Viertel eine Street Party veranstalten solle: „Es ist April. Warum soll ich in der Kälte sitzen, um die Heirat des zweiten Thronanwärters zu feiern?“ Sie wird zu Verwandten nach Sussex fahren. Wird sie die Hochzeit im Fernsehen anschauen? „Vielleicht.“

Aber als die Queen 1995 zur Feier des „V-Day“ einlud, rechnete man mit 45 000 Besuchern und über eine Million kamen. Beim 50-jährigen Thronjubiläum frotzelte die Presse monatelang über das Desinteresse. Der „Guardian“ hatte die Abschaffung der Monarchie gefordert und bezeichnete sie als „einen teuren Anachronismus, der vom Volk nicht mehr verstanden wird“. Diese Königin noch, dann ist Schluss, schrieb das Blatt.

Aber dann strömten die Menschen, Queen-Gitarrist Brian May spielte „God Save the Queen“ vom Dach des Buckingham-Palastes, es gab Feuerwerk und Flugparade, und plötzlich beneidete die Welt die Briten um die große Tradition.

Viele Briten haben Schwierigkeiten damit, sich mitten im 21. Jahrhunderts als Monarchisten zu bekennen. Manchen ist „die ganze Seifenoper“ peinlich. Anderes vorstellen kann sich aber nicht einmal der „Guardian“. Als das Blatt am 1. April sein Gelöbnis für eine Republik feierlich widerrief und von dem „Magischen der Monarchie“ schwärmte, war es zwar ein Aprilscherz. Aber am Tag nach der Hochzeit wird auch er mit einer Farbbeilage aufwarten. Das linksliberale Magazin „Prospect“ fragt in seiner Titelgeschichte: „Wollen wir noch die Monarchie?“. Chefredakteurin Bronwen Maddox meint, „die Monarchie macht Großbritannien kindisch“. Aber auch ihr fällt nichts besseres ein. Das Magazin druckt eine Umfrage ab, die eindeutig ist: Nur 13 Prozent wollen die Monarchie abschaffen – der niedrigste Stand seit der Krise nach Dianas Tod 1997.

Auch andere europäische Monarchien sind stabil, ohne dass die Untertanen fanatische Royalisten sind. „Die Monarchie stellt die Frage, wer den Staat als Oberhaupt repräsentieren soll, außerhalb des politischen Wettbewerbs“, erklärt der Verfassungsrechtler Professor Vernon Bogdanor auf die Frage, warum Monarchien in Staaten, die nicht gerade Revolutionsbedarf haben, so stabil sind. Die Queen steht über Politik und Parteien, deshalb „kann sie die Nation auf eine emotional befriedigende Weise sich selber begreifbar machen“. Für viele „Guardian“-Leser käme eine Republik schon deshalb nicht infrage, weil sich dann Tony Blair als Präsident zur Wahl stellen würde.

Aber genau deshalb beschäftigt die Briten die Nachfolge. Zweifel an dem Kronprinzen kommen auf. Denn Charles hat die Tabugrenze zum Bereich der Politik immer wieder überschritten. Während die Königin, wie das Boulevardblatt „Daily Mail“ lobt, „in über 50 Jahren nichts gesagt hat, was im Gedächtnis blieb“, schreibt Prinz Charles Briefe an Minister, mischt sich in Planungsverfahren ein, redet über Klimapolitik und alternative Medizin und zog in seinem Buch „Harmony“ schwärmerisch gegen Wissenschaft und Aufklärung zu Feld.

„Der Prinz ignoriert die grundlegende Wahrheit in der Beziehung zwischen Königtum und Volk. Dass seine Bedeutung nicht in dem liegt, was er tut, denkt und glaubt, sondern wer er ist“ , schrieb der Journalist Jeremy Paxman. Deutlicher wurde Max Hastings, ehemaliger Chefredakteur des „Daily Telegraph“. Charles fehle die Disziplin der Selbstverleugnung, die ein Monarch brauche. Es sei unausweichlich, dass er, kaum auf dem Thron, seinen Einfluss für seine „schrulligen Projekte“ nutze und die Monarchie in Gefahr bringe. Brutal zitiert er einen „Professor aus Oxford“: „Das Beste, was der Monarchie passieren kann, ist, dass Charles vor der Königin stirbt.“ Die Polemik erschien, als eine Mehrheit der Briten wieder einmal für ein Überspringen der Thronfolge und William als nächsten König plädierte. Hastings riet William und Kate, sich „auf Artigkeiten und Plattitüden zu beschränken“ und die Finger von allen Versuchen zu lassen, die Monarchie zu modernisieren. „Moderne Könige und Königinnen sind ferne Symbole von Glamour, Schönheit und Anständigkeit oder nichts“.

Aber reicht ein ins Korsett von Repräsentation und Tradition gesteckter Monarch für ein modernes, multikulturelles Land, in dem die nationale Identität immer komplizierter darzustellen ist? Graham Smith, Sprecher der Anti-Monarchisten-Gruppe „Republic“, sieht die Monarchie gerade deshalb in Gefahr, weil sie „nur durch Indifferenz, nicht durch Liebe und Unterstützung am Leben erhalten wird“. Sogar Prinz William selbst glaubt, dass Schweigen nicht genügt: „Die Menschen müssen spüren, dass die Monarchie Schritt mit ihnen hält“, sagte er einmal.

Mit seiner Brautwahl scheint er ganz in diesem Sinne Schritt gehalten zu haben. Kate Middleton ist eine Bürgerliche, das zeigt, dass die Krone keine undurchdringliche Clique blaublütiger Aristokraten ist. Und so, wie Kate Aufsteigerromantik in der Klassengesellschaft verbreitet, ist William selbst unbemerkt ein paar Sprossen der Klassenleiter heruntergestiegen. Sein Weg von Eton in ein Berufsleben als Rettungspilot, der in einem bescheidenen Häuschen in der Provinz lebt und Schichtdienst schiebt, ist nicht gerade das Beispiel einer Glanzkarriere.

Nun das Kuriose: Seit Hastings’ Polemik gegen Charles hat sich die öffentliche Meinung schon wieder verschoben. Nach einer „Prospect“-Umfrage wollen 45 Prozent der Briten, dass nach Königin Elizabeth II. ganz regelgerecht Charles den Thron besteigt – nur 37 Prozent sind noch für den verfassungsrechtlich bedenklichen Sprung zu William. Sogar Charles’ lange Zeit verhasste Camilla wäre für die Mehrheit der Briten als „Queen“ akzeptabel. Die Briten wollen schon ein bisschen Modernisierung. Aber gerade bei Jüngeren, die laut Umfrage an diesem Punkt sogar traditioneller als Ältere sind, wächst das selbstverständliche Akzeptieren der Monarchie und ihrer „Schrulligkeit“ wieder.

William & Kate, die Aussicht auf frisches Blut, ein bisschen „Schritt halten“ reichte schon, das stillschweigende Einverständnis zwischen den Briten und ihrem Königshaus wiederherzustellen. Am liebsten ist ihnen, wenn man möglichst wenig über die Widersprüche nachdenkt, denn auch das stört die Magie. Die Monarchie soll zeitgemäß sein und darf doch den langen Schweif der Tradition nicht loslassen. Sie muss sich ändern, aber so, wie man etwa ein Werbelogo ändert – dass man nichts merkt und nichts den Eindruck unerschütterlicher Kontinuität verwischt. Und Kontinuität verlangt eben, dass William nur dann einmal König wird, wenn Charles vor ihm, ohne Krise, den Thron besteigt.

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