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Dampfender Stein. Kleine Gaslöcher zeugen von dem ungeheuerlichen Vulkan, der sich unter der Erde befindet.

© dpa

Brodelnde Erde: Unsichtbarer Supervulkan in Italien droht auszubrechen

Bei Neapel liegt nicht nur der Vesuv, sondern auch der unsichtbare Supervulkan „Campi Flegrei“. Forscher fürchten das Schlimmste, denn als diese "brennenden Felder" vor 39 000 Jahren das letzte Mal hochgingen, wurde alles Leben im Umkreis von 100 Kilometern ausgelöscht.

Ein aktiver Vulkan – das ist ein kegelförmig aufragender Berg, aus dessen Spitze es raucht und spuckt. So weit die klassische, die Bilderbuchversion. Zwar kommen ihr in Italien der allzeit muntere Stromboli und der vorübergehend eingenickte Vesuv optisch sehr nahe. Für ungleich gefährlicher halten die Vulkanologen aber einen ganz platten, der im Gelände überhaupt nicht auffällt. „Sogar von den 400 000 Leuten, die im und am Krater wohnen, wissen 70 bis 80 Prozent nichts von der Gefahr, auf der sie buchstäblich sitzen“, sagt der Chef des italienischen Zivilschutzes, Franco Gabrielli.

Gabrielli spricht von den „Campi Flegrei“. Ihren Namen – „brennende Felder“ – haben sie von den alten Griechen, welche just neben der heißesten Zone die Stadt Neapel gründeten. Satellitenbilder zeigen um die heutige Stadt Pozzuoli herum zahlreiche Kraterchen, die das Gebiet überziehen wie Pockennarben – aber auf sie kommt es nicht an. Nicht zu sehen, weil eingesunken und zu zwei Dritteln gar unter der Meeresoberfläche liegend, ist der 150 Quadratkilometer große, eigentliche Krater. Diese „Caldera“ birgt einen der gut zwanzig Supervulkane, die bisher auf der Erde gezählt worden sind.

Als die „Campi Flegrei“ vor 39 000 Jahren hochgingen, löschten ihre Feuerströme alles Leben im Umkreis von gut hundert Kilometern aus; zwei Drittel der heutigen Region Kampanien versanken unter einer bis zu hundert Meter dicken Schicht aus Tuffstein. Der bisher letzte Großausbruch vor 15 000 Jahren, als 40 Kubikkilometer Magma in die Luft gingen, vernichtete zwar „nur“ 1000 Quadratkilometer Gegend, aber auch damals sorgten die in hohe Atmosphärenschichten gewirbelten Aschemengen weltweit für einen jahrelangen „vulkanischen Winter“ – ähnlich wie nach dem Ausbruch des indonesischen Krakatau 1883. Und nachdem sich die Magmakammern unter den Campi Flegrei so massiv geleert hatten, sank das zuerst aufgeplusterte Erdreich auf einer Fläche von 90 Quadratkilometern um 600 Meter in die Tiefe.

Jetzt hat Italiens Zivilschutz die Warnstufe für die Campi Flegrei erhöht. Von „Basis“ auf „Achtung“ – das ist zwar noch weit entfernt von gelb oder gar rot blinkenden Lichtern. Vulkanologen wie Giuseppe Mastrolorenzo und Lucia Pappalardo hingegen sehen bereits schwarz. Sie haben die unterirdischen Magmaströme untersucht, waren überrascht von der Geschwindigkeit, mit der sich die Reservoirs zuletzt aufgefüllt haben und sagen jetzt: „Das System ist geladen; es könnte eine Explosion bevorstehen.“ Optimismus, fügt Mastrolorenzo hinzu, „wäre ein schwerwiegender Fehler.“

Was die Behörden aktuell beunruhigt, ist der „Bradyseismus“. Das heißt: der Boden unter den Campi Flegrei lebt. Die Stadt Pozzuoli als Ganze hat sich in den vergangenen zwölf Monaten um neun Zentimeter gehoben. Gewiss: Auf und ab geht’s hier seit der Römerzeit. In den „heißen“ Jahren 1970-72 und 1982-84 haben unterirdischer Druck und elftausend Erdstöße die Stadt um 3,5 Meter gelupft; danach ging’s wieder um einen Meter abwärts; jetzt sitzt die Stadt wieder im Aufzug nach oben, und der fuhr zuletzt – nach Angaben des Italienischen Instituts für Geophysik und Vulkanologie – mit zunehmender Geschwindigkeit. „Das muss noch nichts heißen“, sagt Vulkanologe Mastrolorenzo, „es ist eine Art russisches Roulette, und mit der Gefahr rechnen ist besser, als sie auszuschließen.“

Mastrolorenzo und seine Kollegin Pappalardo haben auch entdeckt, dass sich der zwanzig Kilometer nahe Vesuv und die Campi Flegrei in zehn Kilometern Tiefe eine gemeinsame Magmakammer teilen. Der Vesuv besitzt in fünf Kilometern unter Meereshöhe auch noch eine zweite. Dieser Umstand und die Tatsache, dass das zweite Reservoir viel höher liegt als zuvor vermutet, sind erst seit 2008 bekannt. Was das im Ernstfall bedeutet, können die Forscher nicht vorhersagen; sicherheitshalber hat der Zivilschutz jetzt auch die „rote Zone“ um den Vesuv herum erweitert. Statt 18 Gemeinden gehören ihr jetzt 25 an, darunter drei dicht besiedelte Stadtteile Neapels. 800 000 Menschen müssen im Zweifelsfall innerhalb von maximal 48 Stunden evakuiert werden.

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