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Panorama: Bruder gegen Bruder

Das Kloster Andechs hat eine Aktiengesellschaft liquidiert – aus Rache?

Pater Anselm Bilgri zuckt die Schultern und blickt in den weiß-blauen Himmel: „Ich kann es mir nur so erklären: Invidia clericalis – der Neid der Kleriker.“ Am Freitag ist der 50-Jährige vor der Gaststätte „Andechser“ in Augsburg erstmals an die Öffentlichkeit getreten, denn er fürchtet um seinen bisher untadeligen Ruf – als Mönch und Geschäftsmann.

Seit November vergangenen Jahres ist in Bayerns berühmtestem Kloster nichts mehr, wie es war. Von frommer Eintracht kann in der barocken Benediktiner-Abtei hoch über dem idyllischen Ammersee keine Rede mehr sein.

Es tobt ein Machtkampf der unheiligen Art, seit Pater Johannes Eckert der neue Abt des Klosters ist.

Bilgri, eine Art Manager in Kutte, hatte in den vergangenen Jahren für das Kloster ein veritables Geschäftsunternehmen aufgebaut. Doch der umtriebige Mönch, der sich auch geschickt in der Glitzerwelt der Fernsehens bewegte und den Namen des Klosters mit kunstvoller PR-Strategie zur Marke machte, war den meisten Benediktinern eine Spur zu weltlich. Kein Wunder, dass Bilgri vor einem Jahr trotz aller wirtschaftlichen Erfolge die Wahl zum Abt verlor.

Damit hätte die Geschichte enden können. Doch die Klosterbrüder hatten in Eckert eine Art Gegenpol gewählt. Der gelernte Theologe hatte in seiner Doktorarbeit über das „Dienen und Herrschen“ ausgearbeitet, was ein Autokonzern wie BMW und ein Benediktinerkloster voneinander lernen können. Die Verflechtungen des Klosters mit weltlichen Geschäftsbeteiligten will er aber nun selbst offenbar auflösen – und schreckt offenbar auch vor harten Bandagen nicht zurück.

Was sich derzeit auf dem Heiligen Berg von Kloster Andechs abspielt, hat alle Facetten eines Dramas: Rache, Intrigen, Hausverbote, einstweilige Verfügungen, Anzeigen, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Nun erreichte das Treiben einen vorläufigen Höhepunkt. Zuletzt ließ der Abt über einen Mitbruder für die Kloster-Andechs-Gastronomie-Aktiengesellschaft beim Amtsgericht Ulm Insolvenz anmelden.

Da platzte dem überraschten Miteigentümer des Konzerns, dem Ulmer Geschäftsmann Rainer Staiger, der Kragen. In einem in der Unternehmenslandschaft ungewöhnlichen Vorgang will er am Montag als einer der Anteilseigner der Gastronomie AG ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden, Abt Eckert, einleiten. Der Ordensobere blockiere entgegen seinen Pflichten die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens, sagte Staiger nun in Augsburg und brachte Pater Anselm Bilgri als Verstärkung mit.

Die Aktiengesellschaft ist ein Kind von Pater Anselm. Das Unternehmen war auf rasches Wachstum ausgelegt, Staiger war sein kundiger und potenter Partner. „Der Abt will mich hinauskatapultieren und die absolute Herrschaft über die Gesellschaft erreichen", sagt Staiger. Der Manager hält wie das Kloster auch 42 Prozent der Anteile der AG. Die Gesellschaft betreibt im Franchise-System bundesweit zehn Gaststätten mit insgesamt 224 Mitarbeitern. Um jedoch von den Lizenzgebühren leben zu können, sind 20 Lokale nötig. Jedes Jahr sollten drei neue „Andechser“-Gaststätten eröffnet werden. Doch Eckert blockiert Staiger zufolge die dazu notwendige Kapitalerhöhung, um neue Standorte eröffnen zu können.

Der Geschäftsmann präsentiert Unternehmenszahlen (2003: knapp vier Millionen Euro Umsatz), die dies belegen sollen. Einen ordentlichen Geschäftsbericht würde jedoch auch der Abt verhindern. Denn, so klagt Staiger, Eckert verweigere ihm jegliches persönliche Gespräch. „Unter vier Augen unterhalte ich mich mit Ihnen nur im Beichtstuhl“, habe der 35-Jährige ihm einmal bei einer Aufsichtsratssitzung gesagt.

Jetzt sieht Staiger keine Möglichkeit mehr, die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten: „Entweder er oder ich.“ Staiger will darum kämpfen, die Gastronomie AG künftig zusammen mit anderen Investoren zu übernehmen, und versucht, die Insolvenz zu verhindern.

Es werden also die Gerichte sprechen. Sie werden möglicherweise auch herausbekommen, ob das öffentliche Schwarz-Weiß-Bild stimmt, nach dem Pater Anselm Bilgri der Sympathische und Abt Johannes Eckert der Strenge und Nachtragende ist. Es könnte schließlich sein, dass die Gründe für die Liquidierung der Aktiengesellschaft nicht im Rachebedürfnis eines Abts liegen, sondern in wirtschaftlichem Sachverstand.

Bilgri hat für sich bereits entschieden: Es gibt kein Zurück mehr auf den Heiligen Berg. Er zitiert aus einem Treuhandgutachten, dass er die Andechser Wirtschaftsbetriebe als „gesundes Unternehmen“ hinterlassen hat. Und er erzählt noch von seinen eigenen Plänen. Er, der nach all dem Zwist nach 28 Jahren aus dem Kloster austrat, ist derzeit auf der Suche nach einer neuen Stelle „als geistlicher Seelsorger“. Wirtschaftlich hat er schon ein neues Betätigungsfeld gefunden. In München wird er mit der Firma „Anselm Bilgri & Partner – Zentrum für Unternehmenskultur“ einen Neustart wagen. Er will Managern Seminare anbieten – über Wirtschaft im Einklang mit den Regeln des Heiligen Benedikt.

Josef Karg[Augsburg]

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