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Die Rettungskräfte suchten auch am Mittwoch noch nach Opfern.

© Stefano Rellandini/Reuters

Brückeneinsturz in Genua: Italien sucht Schuldige für die Katastrophe

Zahlreiche Menschen starben bei dem Einsturz der Brücke in Genua. Die Regierung macht jetzt die Betreibergesellschaft verantwortlich - und die EU.

Der 15.August ist in Italien ein Feiertag, der Tag, an dem Familie und Freunde das Leben und den Sommer genießen. Doch in diesem Jahr herrscht Staatstrauer an Maria Himmelfahrt. Das Unglück vom Vortag, als im norditalienischen Genua eine vierspurige Autobahnbrücke plötzlich zusammenbrach und zahlreiche Menschen in den Tod riss, lähmt das Land.

Ein etwa 100 Meter langes Stück des Polcevera-Viadukts war am Dienstagmittag aus mehr als 40 Metern Höhe in die Tiefe gestürzt. Am Mittwoch suchten noch hunderte Helfer in den Trümmern nach Überlebenden und Opfern. Die Staatsanwaltschaft gab die vorläufige Zahl der Toten mit 42 an, während die Präfektur von 39 sprach. Elf Häuser wurden vorsorglich evakuiert, 440 Menschen sind vorerst wohnungslos. Neben dem Schock und der Trauer wird am Tag nach der Tragödie auch die Wut der Italiener immer lauter: Wie konnte das nur passieren?

Betreiber ist die Gesellschaft Autostrade per Italia

Die Vize-Premiers Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini von der Lega haben ihren ersten Schuldigen schon gefunden: Die Betreibergesellschaft Autostrade per Italia. Sie ist laut „Corriere della Sera“ für 3020 Kilometer Autobahn und 1866 Brücken und Viadukte in Italien zuständig.

Die Regierung werde die Firma zur Rechenschaft ziehen, die Auflösung des Vertrages mit Autostrade werde eingeleitet, sagt Verkehrsminister Danilo Toninelli an der Unglücksstelle. „Der Widerruf der Konzession ist das Minimum“, schreibt Innenminister Matteo Salvini auf seiner Facebook-Seite. Und noch einen Schuldigen machte er aus: Die Europäische Union.

Durch die strengen Haushaltsregeln, die die EU Italien auferlegt, damit das Land von seine Schulden herunterkommt, hätten nötige Investitionen nicht getätigt werden können. Der Einsturz der Brücke zeige, wie wichtig es ist, mehr Geld in die Hand zu nehmen. „Wenn äußere Zwänge uns davon abhalten, in sichere Straßen und Schulen zu investieren, dann müssen wir wirklich hinterfragen, ob es Sinn macht, diese Regeln zu befolgen.“

Dabei ist in die Brücke in in den vergangenen Jahren viel investiert, erst 2016 wurde die Brücke einer Generalüberholung unterzogen. Auch die Fünf-Sterne-Bewegung muss sich nach dem Unglück Vorwürfe gefallen lassen, weil sie sich 2013 gegen eine Entlastungslösung für die Brücke in Genua ausgesprochen hatte.

300 Brücken und Tunnel in Italien sollen marode sein

Premierminister Giuseppe Conte versprach den Italienern nun, die Regierung werde einen außerordentlichen Plan zur Kontrolle der Infrastruktur voranbringen. Der Zeitung „La Repubblica“ zufolge sind rund 300 Brücken und Tunnel in Italien marode, eine veraltete Infrastruktur und eine lückenhafte Instandhaltung die Hauptprobleme. Um die Ursache des Einsturzes der Morandi-Brücke in Genua herauszubekommen, hat die Staatsanwaltschaft der Stadt Ermittlungen eingeleitet. Der ermittelnde Staatsanwalt sagte, er schließe einen schicksalhaften Einsturz aus. Experten sehen derweil keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Blitz, der kurz vor dem Einsturz in die Brücke gefahren war, etwas mit der Tragödie zu tun haben könnte.

Almut Siefert

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