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Bundesgerichtshof urteilt zu Radhelm: Versicherungsschutz auch ohne Fahrradhelm

Wer keinen Helm trägt und vom Auto erfasst wird, trägt keine Mitschuld. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und ein Urteil des Oberlandesgerichts-Schleswig aufgehoben.

Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des OLG-Schleswig nicht zu einer Kürzung der Ansprüche gegen die Versicherung eines Unfallgegners. Ein "Mitverschulden" des Unfalls sei dadurch nicht gegeben. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil am Dienstagmittag entschieden. Der BGH bestätigte zwar, dass einem Geschädigten ein Mitverschulden grundsätzlich angelastet werden kann, auch wenn er nicht gegen Vorschriften verstößt. Dazu müsse er aber die Sorgfalt außer acht lassen, die ein "ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt".

In dem konkreten Fall der Fahrradfahrerin, die der plötzlich geöffneten Autotür nicht mehr ausweichen konnte und sich dabei schwer verletzte, sei dies aber nicht der Fall gewesen. Das OLG Schleswig hatte dagegen zuvor geurteilt, dass die Fahrradfahrerin trotzdem eine Mitschuld trage, allein schon weil sie keinen Helm getragen hatte, was ein "verständiger Mensch" tun müsse. Die verunglückte Physiotherapeutin habe dadurch die "Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen" und sich deshalb eine Mitschuld von zwanzig Prozent zuzurechnen. Auch diese Feststellung korrigierte der BGH: Nur elf Prozent der Fahrradfahrer auf deutschen Straßen trügen gegenwärtig einen Helm, so die Richter, und deshalb sei das Tragen eines Helmes eben nicht im "allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz" verankert und geboten.

Schwere Schädel-Hirnverletzungen

Aufatmen bei der Fahrradfahrerin, zumal es nach dem nun aufgehobenen Urteil für sie sogar noch schlimmer hätten kommen können: Dass sie "nur" auf ein Fünftel ihrer Forderungen gegen die Versicherung ihrer Unfallgegnerin verzichten müsse, liege an dem unstrittig "grob fahrlässigen Verhalten" der Autolenkerin, stellten damals die Schleswiger Richter fest. Die Autofahrerin hatte auf dem Seitenstreifen der Straße geparkt und, ohne auf den Verkehr zu achten, unvermittelt die Fahrzeugtür geöffnet. Die Fahrradfahrerin konnte nicht mehr ausweichen, prallte gegen die Tür, stürzte zu Boden und fiel auf den Hinterkopf. Dabei erlitt sie schwere Schädel-Hirnverletzungen.

Entsprechend hoch sind die Behandlungskosten. Sie lag zwei Monate im Krankenhaus und ist bis heute in ambulanter Behandlung. Weil die Physiotherapeutin außerdem erst einmal nicht arbeiten kann, zog sie vor Gericht, um die Übernahme der Kosten feststellen zu lassen. Zunächst bekam sie Recht - bis das OLG Schleswig das umstrittene Urteil traf, das nun vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurde.

Der Versicherungsverband fordert, dass jeder auf dem Rad einen Helm trägt

Beim Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GdV) hatte ein Sprecher die Annahme zurückgewiesen, dass die Versicherung für die Helmpflicht kämpft, nur um die Kosten ihrer Schadensregulierungen zu verringern: "Von dem Urteil kann nicht abgeleitet werden, die Versicherer müssen zahlen oder nicht. Es muss immer der Einzelfall betrachtet werden", sagt GdV-Sprecher Stephan Schweda. Der Verband sei "selbstverständlich dafür, dass jeder ein Helm aufsetzt, der mit dem Fahrrad unterwegs ist." Denn wer ohne unterwegs sei, riskiere eben "unter Umständen" schwere Verletzungen.

Der ADFC zitiert Studien: Helme bringen nichts.

Dagegen fürchtet der Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) die mit dem Urteil drohende Helmpflicht: In Australien sei 1991 die Helmpflicht für Fahrradfahrer eingeführt worden und daraufhin die Zahl der Fahrrad fahrenden Kinder um ein Drittel eingebrochen - gerade deshalb steige die Verletzungsgefahr. Denn Studien hätten gezeigt, "dass bei zunehmendem Radverkehr das individuelle Verletzungs- und Todesrisiko abnimmt." Zudem sei eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie der University of Toronto zum Ergebnis gekommen, dass kein Rückgang der Kopfverletzungen nach Einführung der Helmpflicht festgestellt werden konnte. Wie viel Schutz Fahrradhelme bei Zusammenstößen mit Autos bieten können, darüber wird auch in Deutschland seit Jahren unter Unfallforschern gestritten. Auch beim Bundesministerium für Verkehr wird eine Helmpflicht abgelehnt.

Bundesverkehrminister lehnt Helmpflicht ab

Auch im Bundesverkehrsministerium wird eine Helmpflicht abgelehnt. Trotzdem ruft Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach Angaben eines Sprechers dazu auf, dass mehr Radfahrer freiwillig Schutzhelme tragen. Sein Ministerium werbe auch etwa in Schulen dafür, dass die Kinder Helme aufsetzen, weil dies helfen könne, schwere Verletzungen vorzubeugen. Dennoch setze man auf Freiwilligkeit und nicht auf Zwang. Das Verkehrsministerium hatte jüngst eine Statistik vorgestellt, wonach die Quote der Fahrrad fahrenden Helmträger bei 15 Prozent liegt. Besonders hoch ist sie bei Kindern bis zehn Jahren (75 Prozent), besonders niedrig bei den 17- bis 21-Jährigen (sechs Prozent). In fast allen Altersgruppen nehme die Quote der Helmträger zu.

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