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Panorama: Bunte Truppe

Die Schweizergarde, der Sicherheitsdienst des Vatikans, feiert am Sonntag den 500. Jahrestag

Den Winter verbrachten die Schweizer früher normalerweise hinter ihrem warmen Ofen. Kriegführen, das war ein Schönwettergeschäft, etwas für den Sommer. Da ließen sie sich – zwei Millionen insgesamt zwischen 1250 und 1850 – von fremden Potentaten als Söldner anwerben; das brachte Geld in die chronisch schmalen Bergbauernkassen.

Doch dann rief der Papst. 200 Fußsoldaten beantragte er per Eilboten bei der „Oberalemannischen Eidgenossenschaft“: „Wir möchten“, schrieb Julius II., „ihren Dienst für die Bewachung Unseres Palastes, den der Herr gegründet hat, einsetzen. Möge es Eurer ganzen Nation zum Lobe gereichen!“

So zogen im Spätherbst 1505 zunächst 150 wackere Helvetier von ihrem Ofen weg über die Alpen. Am 21. Januar 1506 standen sie vor Rom; am Tag danach, säuberlich gewaschen und ausstaffiert, marschierten sie ein. Noch zur selben Stunde, so heißt es, hätten die „Gwardiknecht“ ihren Dienst aufgenommen.

Das ist nun 500 Jahre her; andere Armeen sind untergegangen, die Schweizergarde besteht immer noch. Allerdings macht sie heute einen eher folkloristischen Eindruck – die Zier-Hellebarden in der Hand, den blankgeputzten Museumshelm mit seinen wehenden Straußenfedern auf dem Kopf, am Leib die fantasievoll fließenden, gelb-blau-roten Uniformen, die zuerst von Michelangelo stammen sollten, dann einigen Gemälden von Raffael entsprungen schienen, in letzter Gestalt aber eine historisierende Schöpfung aus dem Jahre 1914 sind.

Hinter dem pittoresken Auftritt indes verbirgt sich eine junge, straff organisierte, hochmoderne Sicherheitstruppe. Gerade das Attentat auf Johannes Paul II. im Mai 1981 hat den Schweizergardisten vor Augen geführt, dass sie sich nicht nur als Fotomotiv und dekoratives „Ehrenpikett“ betrachten dürfen; die Angst vor terroristischen Anschlägen selbst gegen den Vatikan hat die Garde zu höherer, technisch bestens gerüsteter Wachsamkeit angeleitet. „Wenn es erheischt sein sollte“, so schwören sie in ihrer hergebrachten Formel heute noch, seien sie bereit, ihr „Leben für den Papst hinzugeben“.

Hundertzehn Mann beträgt die Sollstärke der Schweizergarde, und an Nachwuchs mangelt es nicht. Im Mai 2005 hat Benedikt XVI. als frisch gewählter Papst gleich 31 neue Rekruten auf einmal vereidigt. Zehn weitere Gardisten sind im vergangenen November in die Rekrutenschule eingetreten. Nach einem Durchhänger in den sechziger Jahren, sagt Kommandant Elmar Mäder, habe man heute „mehr Bewerber als Stellen“. Gerade die „verstärkte Medienpräsenz“ der Garde bei den großen Zeremonien zum Papstwechsel im vergangenen Jahr habe „in vielen Landsleuten einen Jugendtraum aufgefrischt“. In der harten römischen Realität besteht der Traum aus 80 Prozent Wachdienst: stundenlanges Stehen und Warten bei Hitze, Wind und Wetter an den Eingängen zum Vatikan. Der Rest sind „Ehrendienste“, also die bunten Gala-Aufmärsche – vor allem aber auch der Nahschutz für den Papst persönlich. Speziell geschulte, in der Schweiz ausgebildete Gardisten geleiten den offenen Wagen des Papstes durch die Menschenmengen auf dem Petersplatz; sie bewachen ihn bei Gottesdiensten und Audienzen. Moderne Waffen tragen sie dabei durchaus, nur stellen sie diese – wie Oberst Mäder sagt – „nicht gerne zur Schau“. Auch handle es sich bei den Auftritten des Papstes um Massenveranstaltungen, „da ist der Gebrauch von Schusswaffen nicht immer opportun“. Details über die nichttödliche Bewaffnung seiner Truppe indes will Mäder nicht preisgeben; Rom munkelt über diverse Sprayflaschen in den Taschen der Gardisten.

Am nationalen Charakter der Schweizergarde wird auch nach fünfhundert Jahren in keiner Weise gerüttelt: Nur Schweizer Staatsbürger männlichen Geschlechts, praktizierende Katholiken, mindestens 1,74 Meter groß und nicht älter als dreißig Jahre dürfen sich um einen mindestens zweijährigen Dienst im Vatikan bewerben. Sie müssen den Grundwehrdienst in der Schweizer Armee geleistet haben.

Aber ganz so martialisch abgeschottet gegen die Reize Roms sind die Gardisten auch wieder nicht; immerhin haben 2005 gleich vier von ihnen geheiratet. Aber nicht etwa Schweizerinnen, sondern drei Italienerinnen und eine polnische Rompilgerin. Den wachsamen Blicken dieser jungen Männer entgeht eben nichts.

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