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Atheist Bus Campaign

© privat

Buswerbung in Großbritannien: "Eine atheistische Kampagne in Deutschland würde sich lohnen"

Werbung für Atheismus prangt seit Anfang des Jahres auf Hunderten von Bussen in ganz Großbritannien und U-Bahnen in London. Und schon wird die Kampagne in anderen Ländern kopiert. Schließen sich Atheisten nun weltweit zusammen? Tagesspiegel.de hat mit Jon Worth gesprochen, der die Kampagne in Großbritannien mitentwickelt hat.

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ie 'Atheist Bus Campaign' begann als kleine Idee in London. Mittlerweile hat die Kampagne Spanien erreicht und auch in Kanada und Italien gibt es konkrete Planungen. Wann kommt sie nach Deutschland?

Ich denke, eine solche Kampagne in Deutschland würde sich lohnen. Die Debatte über Religion, Gesellschaft und Politik in Deutschland ist sehr interessant, vor allem die Pro-Reli-Debatte in Berlin über Religionsunterricht in der Schule. Aber wir haben erst einmal ein paar Leute kontaktiert.

Was hat Euch eigentlich auf die Idee gebracht, mit atheistischen Werbesprüchen auf Bussen zu werben?

Die ursprüngliche Idee kam von der Journalistin Ariane Sherine. Sie hat christliche Plakate auf Bussen in Großbritannien gesehen, die es bereits seit Jahren gibt. Auch im Internet übrigens. Dort heißt es zum Beispiel: "Du wirst zu ewiger Trennung von Gott verurteilt sein und in Ewigkeit in der Hölle Qualen erleiden." Sie schrieb daraufhin im Guardian, dass man nur 4680 Atheisten bräuchte, um eigene Plakate zu machen. Anfangs war das ein Witz. Aber ich habe das gelesen und mich gefragt, warum eigentlich nicht? Warum machen wir keine Online-Kampagne, um das hinzubekommen? Die Idee war, dass sich Leute verpflichten sollten, fünf Pfund zu geben, wenn 4679 andere ebenfalls mitmachen. Das war im Sommer. Im Oktober haben wir dann richtig losgelegt und innerhalb von vier Tagen mehr als 100.000 Pfund gesammelt.

Werbung für Glauben und Gott wird größtenteils von der Kirche finanziert - ihr hingegen müsst Euch selbst finanzieren. Ist das fair?

Die Frage ist, wo die Gelder der christlichen Kampagnen herkommen. Kommen sie von Kirchgängern oder aus staatlichen Quellen? Da es sich meist um kleine christliche Gruppen handelt, sind es meistens private Gelder. Das ist dann ähnlich wie bei uns.

Wir haben die Leute eigentlich auf Euch reagiert?

Mehr als 6000 Leute haben uns Geld gegeben. Wir haben ganz viele positive Reaktionen bekommen. Die Leute haben uns zum Beispiel ganz viele Bilder von den Bussen geschickt. Auf der anderen Seite sind wir aber natürlich stark kritisiert worden - meistens von christlichen Gruppen in Großbritannien. Stephen Green von "Christian Voice" sagte zum Beispiel, diese atheistischen Busse seien eine Gefahr für die Gesellschaft. Wir haben auch Mails bekommen, in denen und vorgeworfen wurde, Terrorismus zu unterstützen. Aber wir wurden auch von Atheisten kritisiert, die fragten, warum wir sagten, es gäbe wahrscheinlich keinen Gott und nicht es gibt einfach keinen Gott. Grundsätzlich wollten einfach Leute zum Nachdenken bringen.

Fühlt Ihr Euch von Gott bedroht?

In Großbritannien gibt es zwei unterschiedliche Tendenzen. Immer weniger Leute gehen in die Kirche, aber gleichzeitig wird Religion immer wichtiger innerhalb der britischen Politik. Wir haben zwei sehr religiöse Premierminister direkt hintereinander gehabt: Tony Blair und Gordon Brown. Es findet eine Vermischung von Politik und Gesellschaft statt und das ist sehr problematisch finde ich. Es ist manchmal schwierig zu sagen 'Ich bin Atheist und trotzdem ein ethischer Teil der Gesellschaft'. Wir haben nicht wirklich etwas gegen Leute, die an Gott glauben und wir fühlen nicht von Gott bedroht. Aber wir wollen Fragen an die Politik stellen.

Würdest Du sagen, dass Christen intolerant sind?

Ich denke nicht, dass es um Toleranz geht. Aber es wenn Kinder mit verschiedenem Hintergrund gemeinsam unterrichtet würden, würde das die Toleranz fördern. Die Regierung hat seit 1997 hunderte von religiösen Schulen neu gegründet. Aber wenn es Schulen gibt für Katholiken, Protestanten, Buddhisten oder Hindus, trennt man eine Gesellschaft nach religiösen Linien. Und das ist das Problem. Ich will, dass alle möglichen Religionen und Leute, die nicht religiös sind, zusammen leben können. Ich sehe nicht, dass Christen intolerant sind, aber ich möchte, dass die Politik alle Glaubensrichtungen akzeptieren.

Du hast eben die Pro-Reli-Kampagne in Berlin erwähnt. Was hältst Du davon, Religion zum Wahlpflichtfach zu machen?

Ich denke, die Diskussion in Deutschland ist ein wenig anders als bei uns. Grundsätzlich habe ich kein Problem mit Religionsunterricht in der Schule, wenn es auch die Alternative dazu gibt. Ich glaube einfach, dass es in einer Gesellschaft die Möglichkeit geben muss, innerhalb der Gesellschaft über Religion zu diskutieren.

Gibt es einen Austausch zwischen Euch und atheistischen Gruppen in anderen Ländern?

Wir sind mit ihnen in Kontakt, aber diese lokalen Gruppen organisieren selbst ihre eigenen Kampagnen. Wir machen Vorschläge und können auch zum Teil mit technischen Details helfen, zum Beispiel bei den Websites. Wir sind außerdem in Kontakt mit Leuten in weiteren Ländern, wo es bislang noch keine Kampagnen gibt: In den Niederlanden, in Deutschland, in Österreich. Wir wissen bis jetzt nicht, ob wir dort richtige Kampagnen organisieren können, aber wir versuchen es.

Das klingt nach einem weltweiten Schulterschluss der Atheisten...?

Wir sehen das nicht als Front. Wir wollen nicht die Gläubigen überzeugen, dass sie eigentlich Atheisten werden sollten. Wir wollen nur sagen 'Ein Leben ohne Religion ist auch in Ordnung'. Wir wollen Leute zum Nachdenken bringen. Warum also nicht weltweit? Nicht nur in Großbritannien wird heftig über diese Fragen innerhalb der Gesellschaft diskutiert.

Beim britischen Werberat, der Advertising Standards Authority (ASA), sind 326 Beschwerden zu Eurer Kampagne eingegangen, die abgelehnt wurden. Hat Euch das noch mal zusätzlich angestachelt?

Es gibt jedes Jahr tausende von Klagen gegen Werbung. 326 sind also nicht so viel, wenn man es zum Beispiel mit Werbung über Computerspiele oder der umstrittenen FCUK vergleicht. Aber uns hätte natürlich nichts Besseres passieren können weil die ASA diese Klagen nicht akzeptiert hat.

Wie soll es jetzt weitergehen mit der Kampagne?

Die Kampagne ist geplant bis Anfang Februar auf den Bussen und bis Mitte Februar in der U-Bahn. Danach müssen wir neu überlegen. Wir haben noch ein bisschen Geld, aber wir haben noch keine festen Pläne dafür. Wir müssen dann auch diskutieren, welche Kampagnen wir in der Zukunft machen können. Wir wollen noch politischer werden.

Interview von Nicole Scharfschwerdt

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