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Panorama: Charité bietet Pädophilen Therapie

12 000 Tatverdächtige wegen sexuellen Kindesmissbrauchs pro Jahr in Deutschland

Berlin - Es waren Umzugskästen voll kinderpornografischer Bilder, die die Ermittler im Oktober 2006 aus der Wohnung eines 47-jährigen Magdeburgers trugen. Auf Laptops, Festplatten und Computern hatte er tausende Bilder sexuell missbrauchter Kinder aus dem Internet gespeichert – und war damit einer der ersten der 322 Pädophilen, die den Fahndern im Rahmen der bundesweiten Aktion „Mikado“ ins Netz gingen.

Auf die Spur der Pädophilen kamen die Ermittler mit Hilfe einer bislang einzigartigen Auswertung von Kreditkarten-Zahlungen, die eine Verbindung zur Kinderporno-Szene im Internet bewiesen. Anfang der Woche wurden die Ermittlungsergebnisse vorgestellt. Nun weiten die Fahnder ihre Recherchen international aus – doch ist es nicht leicht, die Pädophilen im Netz zu entdecken. Die Internetseiten werden von Briefkastenfirmen betrieben, die oft alle vier Wochen ihre Adresse ändern, um Spuren zu verwischen, sagt Frank Frenkel vom Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt. Auch bekommt nicht jeder Zugang zur Szene im Internet: Nur wer selbst Bilder bietet, wird am Austausch beteiligt – eine Art Feuerprobe, die garantieren soll, dass es sich um einen „echten“ Pädophilen handelt.

Als pädophil werden Menschen bezeichnet, die sich sexuell von Kindern im vorpubertären Alter angezogen fühlen. Wie viele Menschen eine solche Neigung haben, ist nicht bekannt. Jährlich werde gegen etwa rund 12 000 Tatverdächtige ermittelt, denen sexueller Kindesmissbrauch vorgeworfen wird, sagt Hartmut Bosinski, Direktor des Instituts für Sexualmedizin an der Universität Kiel. Davon habe allerdings nur die Hälfte eine pädophile Neigung – die andere Hälfte benutze Kinder als Ersatz für eigentlich begehrte gleichaltrige Sexualpartner.

Die Dunkelziffer der Pädophilen ist jedoch viel höher. An der Berliner Charité läuft seit Juni 2005 ein Projekt, bei dem sich Menschen mit einer solchen Neigung melden können – durch eine Therapie soll Missbrauch verhindert werden. Über 400 Pädophile haben bislang davon Gebrauch gemacht. Unter anderem wurden mit ihnen mehr als 250 Telefoninterviews geführt. Etwa 50 Prozent gaben dabei an, sich Kinderpornos anzusehen. Bei der Behandlung müsse „aber allen klar werden, dass durch Nutzung solcher Bilder mittelbar Kinder sexuell missbraucht werden“, sagt Klaus Beier, Leiter des Projekts und Direktor des Instituts für Sexualmedizin und Sexualwissenschaft.

Welchen Einfluss die schnelle, weltweite Verbreitung kinderpornografischer Bilder übers Internet hat, kann bislang nicht gesagt werden. „Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass dadurch die Anzahl von Betroffenen mit pädophiler Neigung wächst“, sagt Beier. Viele Jugendliche würden das Internet stark nutzen und könnten auf Kinderpornos stoßen. Weil in dieser Zeit aber auch die sexuelle Neigung geprägt wird, könnten diese Bilder bei ihnen die Sexualstrutuktur durchaus negativ beeinflussen.

Pädophilie sei nicht zu heilen, sagt Bosinski. Die Menschen müssten in der Therapie befähigt werden, ihre Neigung nicht auszuleben. Häufig bedürfe es zusätzlich einer medikamentösen Triebdämpfung.

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