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Solange das männliche Selbstbild aufrechterhalten wird, halten sie durch.

© dpa

Chile: Kampf gegen die Schwärze

Einige der eingeschlossenen chilenischen Bergleute leiden unter Alkoholentzug und Depressionen – die Therapie gibt es per Telefon.

Die eingeschlossenen chilenischen Bergleute können jetzt mit ihren Familien telefonieren. In kurzen Videos, die die Verschütteten an die Oberfläche schicken, wirkt die Stimmung zudem gut und hoffnungsvoll. Allerdings gibt es auch vermehrt Nachrichten, die von zusätzlichen Belastungen in der Tiefe zeugen: So hieß es am Montag, einige der Kumpels litten unter Alkoholentzugserscheinungen, fünf der Verschütteten seien akut von Depressionen bedroht und die Bergleute müssten sich noch tiefer unter die Erde zurückziehen, weil dort hygienisch bessere Bedingungen herrschten.

„Je länger die extreme Stressbelastung andauert, umso wichtiger ist es, die Stimmung der Bergleute gezielt aufzuhellen“, sagte Peter Walschburger, Stressforscher an der FU. Die Männer hätten grundsätzlich stressresistente Eigenschaften. Es herrsche eine starke Gruppenstruktur, die Männer seien durch die tägliche Arbeit unter Tage an die Umgebung gewöhnt und die Versorgung durch Essen und Trinken sei gesichert. Außerdem bestehe regelmäßiger Kontakt zur Außenwelt. „Mit den Angehörigen zu sprechen, das setzt starke psychische Kräfte frei“, sagte Walschburger. Momentan dominiere noch das männliche Heldenbild und auch die Männer unter Tage könnten sich daran aufrichten. Doch dies werde mit der Zeit immer schwerer. Um die Hoffnung in den nächsten Wochen und vielleicht auch Monaten aufrechtzuerhalten, könnten einfache Dinge wie gemeinsam Gesellschaftsspiele spielen, singen und beten helfen. Nachrichtenagenturen zufolge hat ein musikalischer Bergmann bereits eine Mundharmonika durch den Versorgungsschacht gereicht bekommen. Außerdem seien Würfel und Spiele gewünscht worden.

Die Rettungstrupps überlegen zudem, den Männern ein Arbeitsprogramm aufzuerlegen. „Das halte ich grundsätzlich für sinnvoll“, sagte Stressforscher Walschburger. „Sie müssen aktiv bleiben, Bewegung hilft körperlich und psychisch.“ Gemeinsam handeln könne das Gefühl von Hilflosigkeit auflösen, auch wenn es nicht unmittelbar zur Rettung verhelfe.

Die Entzugserscheinungen der Bergleute schätzen Experten als nicht sehr gravierend ein. „Alkoholentzug kann grundsätzlich gefährlich werden, da er zum Beispiel Angstanfälle hervorrufen kann“, sagte Torsten Passie, Chefarzt der Oberbergklinik Berlin/Brandenburg, zuständig für Psychiatrie und Psychosomatik. „Nachdem es die Männer aber schon fast drei Wochen ohne Alkohol unter Tage aushalten, haben sie den körperlichen Entzug schon überwunden.“ Bisher bleiben auch die Verantwortlichen des Rettungstrupps dabei, keinen Alkohol und keinen Tabak an die Bergleute zu geben.

Bei fünf der 33 Männer gibt es nach Aussagen des chilenischen Gesundheitsministers Jaime Mañalich Anzeichen einer beginnenden Depression. Sie seien isoliert, äßen nicht gut und wollten nicht vor die Kamera. Sie sollen eine Ferntherapie über Telefon bekommen. „Es wird in den Einzelgesprächen versucht werden, herauszufinden, warum diese Männer deprimierter sind als der Rest der Gruppe“, sagte Chefarzt Passie. Laut Gesundheitsminister Mañalich habe das Gespräch mit den Angehörigen bereits zu einer Verbesserung der Lage geführt. Die Rettung kann möglicherweise bis zu vier Monate dauern. mit dpa/AFP

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