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Schneechaos in China

© dpa

China: Armee gegen Schnee

Mitten im Reiseverkehr kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest wird China von Schneemassen erdrückt, wie es sie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gab. Die Regierung in Peking setzt eine halbe Million Soldaten ein, um das Chaos zu beseitigen.

Millionen Menschen in China wissen nicht, ob sie zum wichtigen traditionellen Neujahrsfest am 7. Februar nach Hause in die Provinzen zu ihren Familien reisen können. In Schanghai ist die Anspannung wegen des Unwetters überall zu spüren. „Es ist unmöglich, Zugtickets zu bekommen", sagt Hou Lin, die aus dem nordchinesischen Shenyang kommt und in Schanghai bei einer Fotoagentur arbeitet. „Wenn ich nicht nach Hause komme, bin ich sehr traurig“, erklärt die 28-Jährige, die seit fast einem halben Jahr ihre Familie nicht gesehen hat. Wegen der schweren Schneefälle haben die Behörden den Verkauf von Zugfahrkarten ausgesetzt, um die Transportsysteme zu entlasten.

Hunderttausende sind an den Bahnhöfen des Landes gestrandet. Schulen und Sportstadien wurden zu Notunterkünften umfunktioniert. Schnellstraßen sind verstopft und Flughäfen überfüllt.

Chinas Regierung schickte jetzt 500.000 Soldaten und eine Million Polizisten in den Einsatz. Die Truppen sollen die Stromversorgung wieder in Gang bringen und die Transportwege nach dem extremen Wintereinbruch frei machen. 78 Millionen Menschen in 14 Provinzen sollen betroffen, mindestens 53 Menschen bisher ums Leben gekommen sein. 19 Flughäfen wurden zumindest vorübergehend geschlossen. In 17 Provinzen gibt es Probleme mit der Stromversorgung. 89 Kohlekraftwerke haben nur noch Vorräte für wenige Tage. Der wirtschaftliche Schaden übertrifft bereits 2,2 Milliarden Euro. Für die 20-Millionen-Metropole Schanghai ist der Schnee auf den Dächern ein ungewohntes Bild, man ist hier milde Winter gewohnt. Viele frieren in ihren Wohnungen, weil es südlich des Jangtse keine Zentralheizungen gibt. Die Schanghaier rutschen unbeholfen über die matschigen Straßen. „Ich mag das überhaupt nicht, überall ist es nass und der Weg zur Arbeit ist beschwerlich", sagt Hou Lin. Für die ostchinesische Metropole sind es die schwersten Schneefälle seit 24 Jahren.

Anderswo soll es gar seit 50 Jahren nicht mehr so geschneit haben. Das Winterchaos stellt China vor eine harte Prüfung. Die betroffenen Regionen sind kaum Schneefälle gewohnt und schlecht vorbereitet.

In Zentralchina zerbrachen unter dem Druck des Eises sogar die Wasserleitungen, Millionen sind ohne fließendes Wasser. Hunderttausende sitzen in Zügen, Bussen und auf den Stationen fest. Student Liu Dongdi brauchte von Schanghai in die zentralchinesische Stadt Wuhan statt zehn dieses Mal 30 Stunden. „Wegen des Schnees stoppte der Zug 13 Stunden an einer kleinen Station der Provinz Jiangxi“, erzählt er am Telefon. Dabei hatte er zuvor bereits 18 Stunden am Schalter angestanden, um ein Ticket zu ergattern.

Nach Schätzungen sollten zum Neujahrsfest 178 Millionen Menschen den Zug nehmen. In der südlichen Stadt Guangzhou warten 300.000 Passagiere auf ihre Abfahrt. Die Provinz Guangdong hat seine mehr als 26 Millionen Wanderarbeiter deshalb aufgefordert, ihre Reisepläne aufzugeben. „Wir werden versuchen, eine festliche Wärme zu schaffen, damit die Menschen sich gut fühlen, auch wenn sie nicht bei ihren Familien sein können", tröstet der Behördenmitarbeiter Yi Lihua.

Till Fähnders[Schanghai]

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