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Yinghua

© AFP

China: Verwüstung, wohin der Blick geht

Ganze Städte in China sind nach dem Beben dem Erdboden gleich - Szenen aus Yinghua, einem der am stärksten durch das Beben zerstörten Orte.

Liao Xunmei steht auf dem Trümmerhaufen, der einmal ihr Haus war. Das ganze Dorf, in dem die 34-Jährige lebt, ist durch das Beben verwüstet. Von den Maisfeldern am Berg bis zum Fluss reihen sich die Trümmerfelder zerstörter Häuser aneinander. Die Überlebenden klettern über das Geröllfeld, ziehen Kleider und andere noch verwertbare Gegenstände aus den Trümmern. Dazwischen sitzen Männer und Frauen, vor Trauer in sich gesunken. "Jede Familie hat hier Angehörige verloren", sagt Laio.

Die Landgemeinde Yinghua ist nur 20 Kilometer vom Epizentrum entfernt. Das Ausmaß der Zerstörung lässt sich kaum mit Worten beschreiben: Kilometerlang sieht man links und rechts der Straße nur zerstörte Häuser und Ortschaften. Die Überlebenden stehen am Straßenrand, manche haben Plastikplanen als provisorische Zelte aufgehängt. Viele besitzen nur noch das, was sie am Leib tragen. Als ein Lastwagen mit abgepackten Wasserflaschen und Keksen vorbeifährt, drängen sich die Menschen darum, um eine Ration abzubekommen.

Niemand weiß, wie viele der knapp 15 000 Einwohner in Yinghua überlebt haben. Während aus einer anderen Stadt gemeldet wird, dass 68 Stunden nach dem Beben ein elfjähriges Mädchen lebend gerettet wurde, werden hier nur noch Tote geborgen. Fast alle mehrstöckigen Gebäude - Schulen, Arbeiterwohnheime, Wohnhäuser - sind ganz oder teilweise kollabiert. Bis spät in die Nacht sieht man Soldaten und Rettungsmannschaften, die mit schwerem Gerät die Beton- und Gesteinsmassen bewegen.

Weil alle Infrastruktur zusammengebrochen ist, haben die Soldaten Feldtelefone und mobile Kommandostationen aufgebaut. Im Chemiewerk unten am Fluss sind mehrere Fabrikhallen eingestürzt, Rohre verbogen und Silos umgefallen. Von dem sechsstöckigen Wohnheim für die Arbeiter steht nur noch ein schmaler Mittelteil, die restlichen Stockwerke sind wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Mit zwei schweren Kränen heben die Soldaten ein Trümmerteil nach dem anderen beiseite. Mit Mikrophonen, die an langen Kabeln in die Hohlräume gehängt werden, versuchen sie Geräusche von Überlebenden zu hören. Allein an dieser Stelle seien 200 Tote geborgen worden, sagt einer der Helfer. Fast alle Schulen in dem Gebiet sind zerstört. "Die Kinder waren alle im Unterricht und hatten keine Chance zu entkommen", sagt Bauer Wu. Seine zwölfjährige Tochter starb unter den Trümmern ihrer Schule. Als man sie fand, habe er ihren Körper identifizieren müssen. Jetzt sucht der 35-Jährige nach seiner Frau, die seit dem Beben verschollen ist. "Sie war bei den Nachbarn, wahrscheinlich ist sie auch tot", sagt Wu. Auf der Hauptstraße hat sich unterdessen ein kleiner Flüchtlingsstrom gebildet. Männer und Frauen, die in Plastikbeuteln ihr verbliebenes Habe ins Tal tragen.

Eine junge Frau hat sich einen DVD-Spieler unter den Arm geklemmt, zwei Männer schleppen einen Kühlschrank. Die Menschen marschieren in die 15 Kilometer entfernte Kreisstadt Shifang, wo die Behörden in der Sporthalle ein provisorisches Hilfszentrum aufgebaut haben.

Doch auch in Shifang sind die Häuser nicht mehr sicher, die meisten Menschen campieren aus Angst vor Nachbeben im Freien oder auf der Straße. Als eine Flüchtlingsgruppe aus den Bergen eintrifft, kommt ihnen eine Prozession entgegen. Die Menschen sind in Weiß gehüllt, zwei Männer spielen Trompete. Es ist ein Beerdigungsumzug.

Harald Maass

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