zum Hauptinhalt
Teilnehmer des CSD in Rostock 2011

© Bernd Wüstneck, picture alliance / dpa

Update

Christopher-Street-Day nur unter Auflagen: Rostock, ungeschminkt

In der der Hansestadt Rostock stand der Christopher-Street-Day auf der Kippe. Der parteilose Oberbürgermeister Roland Methling will nicht daran schuld sein. Quasi in letzter Minute einigten sich Stadt und Veranstalter.

Von Matthias Meisner

Elf Seiten umfasst die Genehmigung der Stadt Rostock für den diesjährigen Christopher-Street-Day – sie enthält vor allem Auflagen. Als das Schriftstück vergangenen Dienstag bei den Organisatoren der Schwulen- und Lesbenparade eintraf – es handelt sich um die zweitgrößte in Norddeutschland –, kamen die aus dem Staunen nicht mehr heraus. Denn in der Verfügung ging es vor allem um Dinge, die in diesem Jahr beim bunten Umzug nicht erlaubt sein sollen: keine Musik, keine Sitzbänke am Kundgebungsort Neuer Markt, keine alkoholischen Getränke. Als besonders bizarr empfand man ein Vermummungsverbot. Wie soll das gehandhabt werden bei einer schrill verkleideten Drag Queen? Anfang Juni war die Genehmigung beantragt worden, der Bescheid ging elf Tage vor dem Rostocker CSD ein, der eigentlich am 20. Juli stattfinden soll.

Ist eine Sachbearbeiterin schuld, dass der Christopher-Street-Day in Rostock in Gefahr geriet?

Eigentlich – denn der Christopher-Street-Day steht im hohen Norden auf der Kippe. Oder er stand zumindest auf der Kippe. Noch am Dienstagabend versammelten sich die Macher zur Krisensitzung in einer Gaststätte, später zogen sie ins „b sieben“, ein Szenelokal von Schwulen und Lesben. Es wurde weit nach Mitternacht. „Es gab ja etwas mehr, was man zu lesen hatte“, sagt Eva-Maria Kröger, Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft, die dabei war. Am Mittwoch schlugen alle Alarm – der CSD-Organisationsverein bei der Lokalpresse und beim Oberbürgermeister, Krögers Genossen im Stadtparlament. „Rostocker CSD vor dem Aus“, titelte die örtliche „Ostsee-Zeitung“. Und die „Schweriner Volkszeitung“ berichtete, es sei „mittlerweile fraglich“, ob die Traditionsveranstaltung – sie fand in der Hansestadt erstmals 2002 in damals recht kleinem Rahmen statt – stattfinden wird.

Im Rathaus wurde mächtig Staub aufgewirbelt. Dem parteilosen Bürgermeister Roland Methling gefällt es gar nicht, dass seine Stadt nun als schwulenfeindlich gelten könnte. Doch eben das kam außerhalb von Rostock bei manchen an. Volker Beck, Geschäftsführer der Bundestags-Grünen, erinnerte an das Demonstrationsrecht und fragte: „Ist das Stadtamt meschugge?“ Und der Berliner Linken-Chef Klaus Lederer twitterte: „Schminken untersagt wegen Vermummungsverbots? Auf diese Idee hätte auch Putin kommen können.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Organisatoren hängen doppelt in der Luft. Zum einen halten sie die Auflagen für inakzeptabel. Zum anderen ist das Fest am Neuen Markt, das im Anschluss an den Umzug stattfinden soll, noch nicht genehmigt. Das muss, wie ein Stadt-Sprecher bestätigt, nicht nach dem Versammlungsrecht erfolgen, sondern per Sondergenehmigung nach Straßen- und Wegerecht. Diesen zweiten Part hat die Verwaltung noch nicht erledigt. Aber auch jetzt schon ist Mathias Luther vom Organisationsverein genervt. Um ein Alkoholverbot durchzusetzen, müsse man an Sperren die Taschen kontrollieren, sagt er. „Die Teilnehmer müssen später am zentralen Platz der Stadt in einem Käfig stehen. Denn hinsetzen können sie sich ja nicht, weil es auch keine Bänke geben darf.“ Und zum Motto des diesjährigen CSD „Familie ist Vielfalt – denn auch wir sind gute Eltern“ passt es für Luther auch nicht, dass bisher nicht erlaubt worden ist, eine Hüpfburg für Kinder aufzubauen.

Oberbürgermeister Roland Methling will die Affäre um den Christopher-Street-Day niedriger hängen

Ulrich Kunze, Sprecher des Oberbürgermeisters, ist bemüht, die Sache deutlich tiefer zu hängen. Er sei „sehr optimistisch“, dass alle Probleme ausgeräumt werden könnten. Einige der Auflagen seien gar nicht anders als in den Vorjahren, beispielsweise das Vermummungsverbot. In der Praxis habe es damit gar keine Schwierigkeiten gegeben. Freilich „mag es zu Irritationen führen“, dass der Bescheid in diesem Punkt nicht anders aussieht als etwa bei einem Aufmarsch der NPD, gibt Kunze zu. Am Freitag sitzen die CSD-Organisatoren dann noch einmal beim Ordnungsamt. Oberbürgermeister Roland Methling verkündet anschließend, dass der Christopher-Street-Day 2013 wieder „laut und bunt“ sein werde, eine „für unsere Stadt so wichtige Veranstaltung“. Auch CSD-Organisator Luther versichert schließlich: "Der CSD wird so stattfinden wie in den vergangenen Jahren auch." Das Gespräch mit dem Leiter der Ordnungsbehörde sei offen gewesen. "Es hat sich alles zum Positiven gewendet."

Von der elfseitigen Verfügung will der Oberbürgermeister erst erfahren haben, als die schon abgeschickt war. Sie sei auf der „untersten Arbeitsebene“ entstanden, sagt sein Sprecher. 2012 – der Rostocker CSD hatte schon 4000 Teilnehmer – habe Methling sogar auf der Bühne gestanden. In diesem Jahr werde Karina Jens (CDU), Präsidentin der Bürgerschaft, zur Eröffnung kommen. Und vor dem Rathaus sollen vom kommenden Montag an sieben Regenbogenfahnen flattern. „Die Missverständnissen zu dem von der Ordnungsbehörde erteilten Bescheid“ seien, so versichert der OB erleichtert, „aus dem Weg geräumt“ worden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false