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Zurück in der Familie. Gina DeJesus verborgen hinter einem gelben Kapuzenpulli, reckt den Daumen hoch. Rechts ist ihr Vater.

© AFP

Cleveland: Nach der Befreiung der drei Frauen: Vorwürfe gegen die Polizei

Nachbarn wollen „nackte Frauen im Garten“ gesehen haben und wurden angeblich von der Polizei ignoriert. Auch als Amanda Berry nach ihrer Befreiung die Polizei anrief, wurde sie offenbar zunächst nicht ernst genommen.

Millionen Fernsehzuschauer sahen zu, als ein Autokonvoi Amanda Berry heim brachte. Aus der Luft filmten Kameras, wie die 27-jährige Frau durch die Hintertür ging. Ein paar Straßenblocks weiter die gleiche Szene, als Gina DeJesus nach Hause kommt. Die 24-Jährige geht in enger Umarmung mit ihrer Schwester Mayra, sie hat ihr Gesicht mit einen gelben Kapuzenpulli verhüllt, doch für die jubelnden Menschen auf der Straße hält sie einmal kurz den Daumen hoch. Dann verschwindet sie in dem Haus, das sie zehn Jahre lang nicht betreten hat.

Was in den zehn Jahren passierte, kommt nach und nach ans Licht. Seit Amanda Berry am Montagnachmittag in einem günstigen Moment spontan die Flucht aus dem Haus ihres Entführers Ariel Castro gelang und die Polizei zwei weitere Frauen befreite, haben Ermittler der örtlichen Polizei das kleine, weiße Holzhaus an der Seymour Avenue gründlich durchsucht. „Es war in einem unordentlichen Zustand“, sagte ein Polizist. In einem 150 Quadratmeter großen Kellerraum fand man Ketten und Seile. Vor allem in den ersten Jahren seien sie hier gefesselt gewesen, berichteten die drei Frauen unmittelbar nach ihrer Befreiung auf dem Weg ins Krankenhaus.

In ersten Gesprächen mit den Ermittlern berichteten die Frauen außerdem, dass sie von Ariel Castro geschlagen und vergewaltigt worden seien. Amanda Berry hat in Gefangenschaft eine Tochter zur Welt gebracht, die mittlerweile sechs Jahre als ist. Michelle Knight, die sich in stabilem Zustand in einem Krankenhaus in Cleveland befindet, soll während der Gefangenschaft mindestens fünf Mal schwanger gewesen sein. Ihr Entführer habe sie jedes Mal wochenlang hungern lassen und ihr so lange in den Bauch getreten, bis sie das Baby verlor. Ganz anders habe Castro reagiert, als Berry schwanger war. Ob Ariel Castro der Vater des Kindes ist, wird per DNA-Test geprüft. Momentan spricht vieles dafür. Castro soll Ermittlern zufolge keine Mittäter gehabt und die Frauen total abgeschirmt haben. Seine beiden Brüder, die zunächst verhaftet worden waren, wurden bisher nicht angeklagt. Es deute nichts darauf hin, dass sie von den Vorgängen wussten.

Inzwischen gibt es Vorwürfe gegen die Polizei, die angeblich Hinweise von Nachbarn nicht ernst genommen haben. Angeblich wollen Anwohner in den vergangenen Jahren von „Frauen in Ketten“ und „nackten, krabbelnden Frauen im Garten“ berichtet haben. „Aber die haben das nicht ernst genommen“, sagte Nachbarin Elsie Cintron über die Polizei. Nachdem ein Nachbar Amanda zur Flucht verholfen habe, sei auch deren Notruf nicht ernst genommen worden. Die Ermittler versprachen eine polizeiliche Untersuchung des Notrufs von Berry. Vor allem müsse geklärt werden, warum der Beamte nicht am Apparat geblieben sei, bis die Einsatzwagen bei Berry angekommen waren.

Von Seiten der Polizei hieß es, es seien in den vergangenen Jahrzehnten nur zwei Hinweise in Zusammenhang mit der betreffenden Adresse eingegangen und diese hätten beide nichts mit den vermissten Frauen zu tun gehabt. Einmal hatte man Castro befragt, nachdem er ein Kind allein im Schulbus zurückgelassen hatte, ein andermal hatte er selbst die Polizei gerufen, nachdem vor seinem Haus eine Schlägerei ausgebrochen war.

Begonnen hatte die Tortur für alle Frauen gleich, als sie nichtsahnend in Castros Auto einstiegen. Der Mann, der als freundlicher Schulbusfahrer bekannt war, hatte angeboten, sie nach Hause zu fahren.

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