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© AFP

Comeback: Sarah Palin: Star der Provinz

Die gescheiterte republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin will nun doch noch an die Macht – als Anführerin des konservativen Amerika. In der US-Provinz sammelt sie ihre Truppen.

Sie ist das Paradebeispiel einer amerikanischen Traumkarriere. Die Machtverhältnisse hat sie zu ihren Gunsten gedreht. Nun ist sie der Boss. Ihr ehemaliger Chef, der sie entdeckt und ins Rampenlicht geholt hat, ist auf ihre Hilfe angewiesen. John McCain muss dankbar sein, dass Sarah Palin ihm Wahlkampfhilfe leistet bei dem Versuch, zum fünften Mal zum Senator von Arizona gewählt zu werden. Seine Verdienste und seine Erfahrung scheinen nicht mehr viel wert zu sein. Ihr jubeln sie in Tucson und anderswo in seinem Staat zu. Wenn er, der einstige Militärheld, ans Mikrofon tritt, lässt der Enthusiasmus hörbar nach. Nebenbei ist sie Millionärin geworden. Und eine der begehrtesten Talkmasterinnen der USA.

Vor zwei Jahren, im Frühjahr 2008, war sie unbekannt in den USA. Dann machte der republikanische Präsidentschaftskandidat McCain sie zu seiner Vizekandidatin – und viele in Amerika entdeckten ihre Zuneigung für die Frau aus der Provinz. Der Kampf ums Weiße Haus endete eher kläglich. Doch ob man sagen muss: wegen Sarah – oder: trotz Sarah –, darüber sind Bürger und Medien uneins.

In Amerika, auch das gehört zum Mythos der unbegrenzten Möglichkeiten, bekommt jeder eine zweite Chance. Sarah Palin hat ihre genutzt. Sie tat nicht, was die meisten gescheiterten Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten tun. Sie begnügte sich nicht damit, auf ihren vorherigen Posten zurückzukehren und auf die Chance zu einem neuen Anlauf zu warten. Nachdem sie den Duft der großen weiten Welt geschnuppert hatte, wurde Alaska zu klein für sie, jedenfalls als politische Bühne. Vom Posten der Gouverneurin trat sie zurück, obwohl erst die Hälfte ihrer Amtszeit um war.

Inzwischen hat sie ein Buch geschrieben, „Going Rogue“. Ihr Verleger sagt, es wurde 2,2 Millionen Mal verkauft. Als Redehonorar streicht sie 100 000 Dollar ein. Auf Facebook hat ihr Profil 1,5 Millionen Freunde. Und seit vergangener Woche hat sie auch eine eigene Fernsehshow, auf dem zuschauerstarken rechten TV- Kanal Fox, Titel: „Real American Stories“. Dort präsentiert sie das wahre, das gute Amerika. Reiche, die für Arme spenden. Militärische Helden und ihre Opferbereitschaft. Eltern, die sich klaglos um behinderte Kinder kümmern. Zwei Millionen Zuschauer schalteten ein.

Der Titel der Show steht für ihr politisches Programm. Es gebe eine Verschwörung linker Medien, die dank ihres überproportionalen Einflusses ein falsches Bild von den USA malen und den Eindruck erwecken, es gebe eine Mehrheit für progressive Politik. Tatsächlich sei dieses Amerika, das die Medien zeichnen, ein Kunstprodukt, das in der Wirklichkeit nicht existiere. Die Fiktion diene nur dem Machterhalt der Insider in Washington. Das wahre Amerika finde man in der Provinz. Und es sei höchste Zeit, dass dieses wahre Amerika sich auch seine politische Macht zurückhole.

Mit dieser Interpretation der Realität findet Palin großen Zulauf. Allein die Verachtung, mit der sie das Wort „Mie-die-ah“ ausspricht, ruft Begeisterung hervor. Unter ihren Fans scheint niemand die Ironie zu bemerken: Sarah Palin benutzt das Massenmedium Fernsehen, um die angebliche Verschwörung solcher Medien zu enttarnen. Gezielt gebraucht sie Redewendungen, mit denen sich das nicht ganz so gebildete Amerika vom elitären und in der Provinz als arrogant empfundenen Amerika abhebt. Sie verschleift Wortendungen und spricht grammatikalisch unkorrekt. Das gilt als volkstümlich.

Die neue Karriere ist finanziell einträglich und gibt ihr politische Macht. Palin ist die ungewählte Anführerin der „Tea Party“, einer konservativen Bürgerbewegung, der die ganze Richtung unter Obama missfällt: mehr staatliche Eingriffe wie bei der Bankenrettung oder der Gesundheitsreform, höhere Staatsverschuldung, Machtverschiebung von Bürgern und Einzelstaaten zur Bundesregierung. Palin ist jetzt die einflussreichste Königsmacherin bei der Auswahl konservativer Kandidaten für politische Ämter. Moderate Republikaner fürchten sie. Im Zweifel unterstützt sie den Außenseiter von rechts gegen den zur Mitte tendierenden Amtsinhaber. McCain ist eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

2010 ist ein Wahljahr, und der Zorn auf Washington ist wegen der Wirtschaftskrise und der umstrittenen Reformen unter Barack Obama noch größer als sonst. Wer bereits im Kongress sitzt, gilt als Teil des verhassten Systems und ist von vornherein im Nachteil gegenüber unbelasteten Kandidaten, die versprechen, nach Washington zu gehen, um das System zu ändern. McCain muss seinen Senatssitz gegen einen solchen Gegner verteidigen, J. D. Hayworth. Der wirft ihm vor, er habe republikanische Grundsätze zu oft verraten und gemeinsame Sache mit den Demokraten gemacht. Es ist die Rhetorik, die Sarah Palin sonst benutzt. Hayworth liegt in Umfragen hinter McCain, aber der Abstand verringert sich stetig.

Doch nun unterstützt Sarah Palin ihren alten Boss – auch als Dank, dass er ihr zu Prominenz und Einfluss verholfen hat. „Wir brauchen frisches Blut“, rief sie vor wenigen Tagen bei einem gemeinsamen Auftritt in Tucson der johlenden Menge zu. „Aber wir brauchen auch Staatsmänner und Helden wie John McCain.“ Viele Anwesende sagten, sie seien gekommen, um Sarah Palin zu hören, nicht McCain. Im Zweifel würden sie am Ende für dessen Konkurrenten Hayworth stimmen.

Auch für Palin ist es ein weiter Weg von der Königsmacherin zur Königin. Sie hat eine begeisterte, aber begrenzte Anhängerschaft. 37 Prozent der Amerikaner finden sie klasse. Ebenso vehement lehnen mehr als 50 Prozent sie ab. 71 Prozent sind bis heute der Meinung, sie sei nicht qualifiziert für das Präsidentenamt.

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