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Panorama: Concorde-Katastrophe: Die Explosion kam von innen

Ein außergewöhnliches Phänomen soll nach jüngsten Ermittlungen zur Concorde-Katastrophe in Paris beigetragen haben. Entgegen ersten Vermutungen wurde der Tragflächentank des Überschalljets nicht von Teilen eines platzendes Reifens durchschlagen, sondern von innen durch eine "Schockwelle" im Kerosin gesprengt.

Ein außergewöhnliches Phänomen soll nach jüngsten Ermittlungen zur Concorde-Katastrophe in Paris beigetragen haben. Entgegen ersten Vermutungen wurde der Tragflächentank des Überschalljets nicht von Teilen eines platzendes Reifens durchschlagen, sondern von innen durch eine "Schockwelle" im Kerosin gesprengt. Bei dem Absturz des Air France-Fluges 4590 unmittelbar nach dem Start waren am 25. Juli über 100 Menschen ums Leben gekommen. Wegen der unterschiedlichen Konstruktionsweise sehen Experten für andere Flugzeugmodelle keine entsprechende Gefahr.

Die Überraschung brachte der kürzlich veröffentlichten Interimsreport der französischen Untersuchungsbehörde Bureau Enquetes-Accidents (BEA). Danach wurde der Tragflächentank offenkundig nicht - wie bei sechs vorangegangenen Concorde-Zwischenfällen - durch von platzenden Reifen losgerissene Fahrwerksteile punktiert. Nach ersten Testsimulationen könnten zwei ineinander greifende Phänomene zu dem katastrophalen Bruch geführt haben. Ein mit hoher Geschwindigkeit gegen die linke Tragfläche geschleudertes Teil des Reifens sorgte für eine heftige Deformierung der Tankwand. Das verursachte im Kerosin eine so starke wellenartige Bewegung, dass der Tank in Wechselwirkung mit dem hohen Auftriebsdruck, der die Unterseite der Tragfläche belastete, platzte. Weitergehende Untersuchungen sollen die Theorie untermauern, die das im Vergleich zu früheren Vorfällen gewaltige Leck erklären würde.

Luftfahrtexperten sehen keine Notwendigkeit, auch die Tankkonstruktion anderer Flugzeugtypen auf Grund der neuen Erkenntnisse in Frage zu stellen. "Die Untersuchungen beschränken sich auf die Concorde" sagt Jerome Rondeau vom europäischen Luftfahrt-Konzern EADS, in den die französische Firma Aerospatiale - gemeinsam mit British Aerospace Hersteller des Überschalljets - inzwischen aufgegangen ist. Wegen ihrer Delta-Flügel und der gegenüber herkömmlichen Verkehrsflugzeugen wesentlich höheren Startgeschwindigkeit könne die Concorde nicht mit anderen Jets verglichen werden, erklärt der stellvertretende Leiter der deutschen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, Christian Schuberdt.

Ob an der Concorde weitere Änderungen notwendig werden, ist laut Rondeau offen. Ab Februar werden erste Modifikationen an einer Concorde der British Airways im Flug getestet. Dazu gehört auch eine Verstärkung der Tankwände, wie sie in Rennwagen üblich ist. Ziel ist es, die seit der Katastrophe stillgelegten Überschalljets noch in diesem Jahr wieder in den Liniendienst zu bringen. Die Kundennachfrage ist ungebrochen groß. Kommende Woche startet eine französische Concorde von Paris und wird auf einem Militärflughafen in Südfrankreich umfangreichen Tests unterzogen.

Wegen eines anderen Tankproblems müssen bis November 1124 ältere Boeing 747 Großraumjets nachgebessert werden. Denn inzwischen gilt als sicher, dass die spektakuläre Explosion eines Jumbos der TWA, die 1996 kurz nach dem Start in New York alle 230 Insassen das Leben kostete, weder auf eine Bombe noch auf eine Rakete zurückzuführen ist. Angenommen wird, dass nach einem Kurzschluss in einem Kabel des Bordstromnetzes hohe Spannung über die Meßleitungen der Füllmengenanzeige in den Tank gelangen und dort das Kerosin-Luft-Gemisch entzünden konnte. Nachdem es bereits 1990 in den USA einen ähnlich gelagerten Unfall mit einer Boeing 737-300 gegeben hatte, müssen auch 2780 ältere Maschinen dieses Typs umgerüstet werden.

Rainer W. During

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