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Contergan-Hersteller: Grünenthal-Chef will sich erstmals mit Opfer treffen

Nach dem ARD-Themenschwerpunkt Contergan ist die Leitung des Pharma-Konzerns Grünenthal einen Schritt auf die Geschädigten zugegangen. Firmenchef Wirtz wandte sich erstmals in einem Brief an einen Betroffenen.

Sebastian Wirtz stellte sogar ein Treffen mit dem Pressefotografen Christian Knabe in Aussicht. "Ich freue mich riesig über diese Prima-Geste", sagte der Contergan-geschädigte Knabe aus München nach Erhalt des Briefes. Knabe hatte am Mittwoch in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" erneut den Wunsch nach einem Treffen zwischen Geschädigten und der Grünenthal-Leitung geäußert. Der 46-Jährige bedauerte in der Sendung, dass er auf ein Schreiben an Wirtz nicht einmal eine Antwort erhalten habe. Der nun an ihn gerichtete Brief sei "sehr einfühlsam" geschrieben. Das Treffen sei für das kommende Jahr geplant. Auf Wunsch von Wirtz solle es in privatem Rahmen stattfinden.

Contergan kam 1957 erstmals auf den Markt

Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid war am 1. Oktober 1957 von Grünenthal als Schlafmittel auf den Markt gebracht worden. Es war lange rezeptfrei erhältlich. Weltweit kamen 10.000 Kinder zum Teil schwer fehlgebildet zur Welt, oft fehlten Arme oder Beine. Von bundesweit geschätzten 5000 Opfern des Medizinskandals leben noch etwa 2700. Grünenthal hatte sich verpflichtet, 100 Millionen Mark (heute 51,13 Millionen Euro) plus Zinsen von mehr als 10 Millionen Mark für die Geschädigten in eine 1971 gegründete Stiftung einzuzahlen. Der Bund zahlte ebenfalls 100 Millionen Mark ein.

Laut Knabe ging aus dem Schreiben von Wirtz hervor, dass dieser auch Kontakt zum Bundesverband Contergangeschädigter aufnehmen wolle. Die Verbands-Vorsitzende Margit Hudelmaier hatte nach eigenen Angaben bis Samstag kein Schreiben von Wirtz erhalten und reagierte skeptisch: "Ich teile die Euphorie nicht, wenn Herr Wirtz glaubt, er schreibe einen Brief und das war's." Kritisch sei, dass Wirtz erst jetzt im Zuge des gestiegenen öffentlichen Interesses nach der Ausstrahlung des TV-Zweiteilers "Contergan" auf die Opfer zugehe. "Aber wir warten erstmal ab und sind prinzipiell gesprächsbereit", sagte sie.

Wirtz soll den Geschädigten ein Angebot unterbreiten

Ein Treffen habe für ihren Verband aber nur Sinn, wenn Wirtz den Geschädigten ein Angebot unterbreite, das über seine bisherigen Statements hinausgehe. Ein Händedruck reiche dabei nicht aus, er müsse auch auf die finanziellen Forderungen des Verbandes eingehen. Ein Treffen zwischen den Geschädigten und Grünenthal hat es auch 50 Jahre nach Markteinführung des Schlafmittels noch nicht gegeben. Die Aachener Hersteller-Firma hat bisher weder eine Schuld eingeräumt noch sich bei den Geschädigten entschuldigt.

Wirtz erklärte sich jetzt in einem Interview mit den "Aachener Nachrichten" und der "Aachener Zeitung" grundsätzlich zu einem Treffen mit den Geschädigten bereit. Der Rahmen müsse aber "angemessen" sein, also ohne Medien, sagte der 37-jährige Enkel des Grünenthal-Gründers. In der Debatte über eine Entschädigung für Contergan-Opfer hatte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zuvor Gespräche zwischen Grünenthal und Betroffenen angeregt. Wirtz betonte, Überlegungen zu einer weiteren finanziellen Unterstützung der Geschädigten gebe es nach wie vor "derzeit" nicht. Er habe "Riesenrespekt" vor den Geschädigten, sagte Witz den Blättern. "Es tut mir furchtbar leid, was ihnen passiert ist."

Grünenthal droht neue Kampagne

Wirtz bezeichnete eine frühere Entschädigungs-Kampagne gegen den Nachfolger des ehemaligen britischen Contergan-Lizenznehmers als "Erpressung". Als Folge öffentlichen Drucks hatte der Konzern Diageo Betroffenen noch einmal 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. "Das war Erpressung über den Aufruf zum Produktboykott. Darauf lassen wir uns nicht ein", sagte Wirtz. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" droht Grünenthal erneut eine internationale Kampagne für Entschädigungen an Contergan-Opfer. (mit dpa)

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